Antisistema 5 veröffentlicht – Zeit(ung) um die Ordnung auf den Kopf zu stellen
Antisistema 10. November 2025 Global

Aus dem Inhalt:
– Eine Perspektive des Angriffs in einer zusammenbrechenden Welt
– KI und Idiokratie
– Die Schönheit der Idee
Kontakt:
antisistema.noblogs.org
anti-sistema ät riseup.net
Die Zeitung wird dezentral gedruckt. Deswegen wollen wir dazu ermutigen, diese Seiten selbstständig (nach-)zudrucken und zu verteilen.
Englische Ausgabe 5 folgt in Kürze….
Pdf zum drucken: https://de.indymedia.org/sites/default/files/2025/11/%5BDE%5D%20AS5.PRINT_.clean_.pdf
Pdf zum lesen: https://de.indymedia.org/sites/default/files/2025/11/%5BDE%5D%20AS5.READ_.clean_.pdf
Palantir in Baden-Württemberg: Polizei soll mit deinen Daten Software trainieren dürfen
von Martin Schwarzbeck -
Eine Änderung des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg soll der Landespolizei erlauben, Software mit personenbezogenen Daten zu trainieren und zu testen. Sie könnte damit auch Klarnamen oder Gesichtsfotos unschuldiger und unverdächtiger Personen in Systeme wie von Palantir einspeisen.
Polizist*innen stehen in Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart, während dort der Petitionsausschuss zum umstrittenen Gesetzentwurf tagt.
Am Mittwoch will die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg einen heftig umstrittenen Gesetzentwurf verabschieden. Er erlaubt dem Bundesland den Einsatz der Palantir-Software zur Datenanalyse, die das Land für mehr als 25 Millionen Euro bereits eingekauft hat.
Im Windschatten dieses Ansinnens bringt der Gesetzentwurf eine weitere bedeutende Verschlechterung des Datenschutzes im Land mit sich: Laut Paragraf 57a soll die Polizei von Baden-Württemberg künftig personenbezogene Daten zur Entwicklung, zum Training, zum Testen, zur Validierung und zur Beobachtung von informationstechnischen Systemen einsetzen dürfen. Dabei ist unerheblich, ob sich die betroffenen Menschen zuvor verdächtig gemacht haben. Die entsprechende Datenverarbeitung ist nicht an ein Ermittlungsverfahren gebunden, sondern allein zur Verbesserung und Implementierung von Überwachungssoftware gedacht.
Bürger*innen werden demnach künftig Daten liefern, mit denen beispielsweise das privatwirtschaftliche Unternehmen Palantir, gegründet vom rechten Anti-Demokraten Peter Thiel, seine Produkte verbessern kann. Wenn also in Kürze die ersten Tests der Palantir-Software in Baden-Württemberg beginnen, könnten diese direkt mit realen personenbezogenen Daten vorgenommen werden, die millionenfach in Polizeidatenbanken lagern.
Auch der Test und das Training von beispielsweise automatisierter Verhaltens- oder Gesichtserkennung ist damit möglich. Ausgenommen sind nur Daten, die im Rahmen einer Wohnraumüberwachung erhoben wurden.
Daten dürfen auch an Dritte weitergegeben werden
Sobald „unveränderte Daten benötigt werden oder eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist“, dürfen beispielsweise auch Klarnamen und andere eindeutig identifizierende Informationen wie Gesichtsfotos dabei genutzt werden. Die Daten dürfen auch an Dritte weitergegeben werden.
Tobias Keber, der Landesdatenschutzbeauftragte, fordert in einer Stellungnahme, zumindest in jedem Fall zu prüfen, ob eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung tatsächlich unverhältnismäßig ist. Nach dem Entwurf, der Mittwoch zur Abstimmung gestellt wird, ist dies nicht zwingend vorausgesetzt, sobald „unveränderte Daten benötigt werden“. Außerdem solle, so Keber, seine Behörde jeweils frühzeitig eingebunden werden.
Es ist gut möglich, dass diese Rechtsgrundlage zum Testen und Trainieren mit personenbezogenen Daten eine Reaktion auf den bayerischen Umgang mit Palantir-Software ist. Dort hatten die Behörden die Datenanalyse mit Echtdaten tatsächlicher Menschen ohne Rechtsgrundlage getestet, woraufhin der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte forderte, den Test zu beenden. Laut der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages muss ein derartiger Testbetrieb den gleichen – hohen – Anforderungen genügen wie der tatsächliche Einsatz.
Wer zusehen möchte, wie die grün-schwarze Landesregierung diesen massiven Grundrechtseingriff durchs Parlament bringt, kann dies Mittwoch ab 13.30 Uhr auf der Website des Landtags tun.
Von kolonialer Apokalypse zur ökologischen Revolution
firefund.net

... eine Crowd-Funding-Kampange
Anlässlich des COP30 wird es eine Tour gaben, die auf dem Weg von São Paulo nach Belém, Verbindungen zwischen Kämpfen und Initiativen stärken will. Darüber hinaus sollen Interviews entstehen, Videos, Artikel und mehr. Um dieses Projekt zu finanzieren gibt es eine Crowd-Funding-Kampagne auf:
https://www.firefund.net/pathstoecorevolution.
Einen ausführlichen Artikel zu diesem Projekt hat das Organise Magazine veröffentlicht:
https://organisemagazine.org.uk/2025/10/27/further-weavings-international/
“Wege bahnen: Von kolonialer Apokalypse zur ökologischen Revolution // November 2025: vom brazilianischen Staat besetzte Territorien — Dezember, Januar und danach: die Welt!
In Belém werden Arbeiter*innen ausgebeutet und Teile des Amazonas abgeholzt um COP30 vorzubereiten, die jährliche Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Seit 30 Jahre behaupten Regierungschefs, wissenschaftliche Institutionen, große NGOs und Konzerne überall auf der Welt, dass sie das Thema angehen, aber die Situation ist nur schlimmer geworden. Dies ist keine Überraschung denn die Institutionen, die versuchen die Lösungen zu monopolisieren, sind dieselben, die die Krise verursacht haben, Ökosysteme zerstören, uns ausbeuten, unsere Gesundheitsversorgung kürzen, unseren Zugang zu Essen, Wohnraum, sauberer Luft und Wasser gefährden.
Wir haben nicht den Luxus ihnen auch nur einen weiteren Tag zu vertrauen.
Im November diesen Jahres, wenn sich die Reichen und Mächtigen treffen und Deals machen, wird sich ein antikoloniales Netzwerk mit Verbindungen in aller Welt enger verflechten. Urbane Anarchist*innen die für Zugang zu Wohnraum kämpfen, für Gesundheitsversorgung, für einen freien öffentlichen Nahverkehr und gegen den Autoritarismus, der vorherige Revolutionen zerstört hat. Ländliche Gemeinschaften, die vor der extremen Armut in den Städten geflohen sind, überlebende des Kolonialismus und die afrikanische Dispora, die sich Land von der Plantagenwirtschaft und anderen extraktivistischen Industrien zurücknehmen, es heilen, ihr eigenes Essen anbauen und es dann in ihren Netzwerken teilen. Indigene Gruppen die den Amazonas ihre Zuhause nennen, ihn verteidigen, die sich um den Wald kümmern, um die Flüsse und nie die ökosystemischen Organisationsformen ihrer Gemeinschaften aufgegeben haben.
Wir wollen unsere Verbindungen stärken und voneinander lernen. Wir wollen der Welt zeigen, dass wir uns alle von dieser Maschine, die Leben zerstört, abkoppeln können. Wir wollen klar machen, dass der Staat, die Kapitalist*innen, die Expert*innen, die großen Wohltätigkeitsorganisationen uns nicht vor der riesigen Krise retten werden, die sie selbst verursacht haben. Und wir wollen Beispiele bekannt machen, die zeigen wie echte Veränderung aussehen kann, damit Leute überall solche Initiativen in ihren Regionen unterstützen oder neue Projekte starten und sich diesem wachsenden Netzwerk anschließen können, ein Netzwerk, das keine Partei und keine einheitliche Organisation ist. Wir wollen nicht, dass ihr eure Autonomie, euer kritisches Denken und eure Geschichte aufgebt. Wir wollen mit euch ins Gespräch kommen, damit wir alle voneinander lernen und uns im Geiste von Solidarität und gegenseitiger Hilfe den Rücken stärken können.
Dazu brauchen wir deine Hilfe: Wir müssen die Reisekosten bezahlen, wenn wir die Grenzen überqueren, die uns trennen. Wir müssen Grundnahrungsmittel kaufen, während einige von uns unterwegs sind um neue Freund*innen zu treffen und mehr über Projekte und Kämpfe von São Paulo bis Belém zu erfahren, eine Strecke von Tausenden von Kilometern. Wir müssen Ausrüstung bezahlen, die uns hilft, Interviews zu führen und Dokumentarfilme über das zu drehen, was wir lernen. Und wir müssen Ressourcen für Projekte bereitstellen, die weltweit zum Widerstand inspirieren können.
Gib was du kannst. Sag es deinen Friends. Und wenn im Laufe der nächsten Monate Artikel, Interviews, Podcasts und Videos von diesem Projekt veröffentlicht werden, hilf uns bitte dabei sie zu verbreiten und zu übersetzen!”
Weltkarte der Videoüberwachung gerettet
von Markus Reuter

Das Projekt „Surveillance under Surveillance“ visualisiert Videoüberwachung auf einer Weltkarte.
Kurzfristig stand der Weiterbetrieb auf der Kippe, jetzt geht es unter dem Dach des Chaos Computer Club Hamburg weiter.
Die im Jahr 2016 gestartete Weltkarte der Videoüberwachung „SunderS“ ist gerettet. Seit 2016 hatte eine Einzelperson das Projekt betreut, wegen mangelnder persönlicher Kapazitäten war das Projekt nun bedroht. Spontan ist jetzt der Chaos Computer Club Hamburg eingesprungen, und auch der Gründer und andere haben sich entschieden weiterhin am Projekt mitzuarbeiten.
Der Vorgang zeigt, dass auch langjährige zivilgesellschaftliche Dokumentationsprojekte oft am seidenen Faden hängen. „Nachdem der Weiterbetrieb zeitweise auf der Kippe stand, betreibt nun auch der CCC Hamburg eine Instanz, um das Projekt verfügbar zu halten“, sagt Matthias Marx, Sprecher des Vereins.
Standorte, Typen, Blickrichtung
Unter dem Projektnamen „Surveillance under Surveillance“ werden sogenannte Surveillance-Einträge von OpenStreetMap visualisiert. „Das ist ein wichtiges Projekt, das Überwachung sichtbar macht und zeigt, wie allgegenwärtig Kameras im öffentlichen Raum inzwischen sind. Auf Basis von Openstreetmap-Daten werden Informationen zu Kamera-Standorten, Kamera-Typen und Blickrichtung zugänglich gemacht“, erklärt Marx.
Es handelt sich dabei um Überwachungskameras, die zwar in der Datenbank erfasst, aber nicht auf der regulären OpenStreetMap-Karte angezeigt werden. „Damit schafft SunderS Transparenz über die Überwacher und erinnert daran, dass wir unsere Freiheit aktiv verteidigen müssen“, so Marx weiter.
Das Projekt gibt auch Aufschluss über die Explosion der Videoüberwachung im Verlauf mehrerer Jahre. Bei unserem letzten Bericht über das Projekt im Jahr 2017 waren weltweit etwa 50.000 Kameras kartografiert, heute sind es mehr als 250.000. Die reale Zahl von Kameras liegt allerdings deutlich darüber. Schon im Jahr 2020 ging eine Schätzung von 770 Millionen Überwachungskameras weltweit aus, die Hälfte davon sollte damals in China installiert sein. Da OpenStreetMap ein Mitmachprojekt ist, hängt die Kartografierung an Freiwilligen, die Kameras bei Openstreetmap eintragen.
Anonyme Ergänzung
Etwas vergleichbares gibt es übrigens auch für in OpenStreetMap eingetragene Kennzeichenscanner. Zu finden unter https://deflock.me/map. Flock bezieht sich dabei auf einen in den USA sehr verbreiteten Hersteller von Kennzeichenscannern.
Zweites Internationales Treffen gegen Militärdienst und für die Verweigerung von jedem Militarismus
14.–16.11.2025 / Hamburg
Wenn wir unseren Blick auf die Auseinandersetzungen rund um das Thema Wehrfähigkeit und Militärdienst richten, wird deutlich, wie in Politik und Medien eine unbedingte Aufrüstung der Bundeswehr vorbereitet wird. In der Herstellung und Lieferung von Waffen und Kriegsgerät findet diese schon lange statt, aber auch personell soll nun aufgerüstet werden. Die gezeichneten Narrative vermitteln eine unumgängliche Notwendigkeit und begrenzen den Diskurs auf das „Wie“ und „Wann“, ohne den Krieg an sich infrage zu stellen. „Frieden“ hingegen beruht in den geführten Debatten immer auf der Idee von Nationalstaaten und bedeutet noch lange kein sicheres und freies Leben für alle Menschen. Dieser kapitalistische Frieden meint vor allem den reibungslosen Ablauf von Ausbeutung und Unterdrückung. Der soziale Krieg besteht weiter fort. Wir wollen einen Frieden, der ein gutes Leben für alle bedeutet – ohne kapitalistische, rassistische und patriarchale Logiken.
Krieg ist bereits da, die Bedrohung weiterer militärischer Auseinandersetzungen in Europa ist gestiegen, das steht außer Zweifel. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine wird strategisch an einem gesellschaftlichen Freund-oder-Feind-Klima gearbeitet: Nur wer bereit ist, für die Verteidigung der territorialen Integrität, für die Demokratie, für Europa, für Deutschland zu kämpfen und im Zweifel zu sterben, kann zu uns gehören.
Warum sollte es im Hinblick auf die vermeintliche Bedrohungslage sinnvoll sein, einen Wehrdienst abzulehnen? Warum sich den „neuen Realitäten“ verweigern, die von allen Seiten vehement heraufbeschworen werden? Positionen, die eine grundsätzliche Kritik an Aufrüstung und Militarismus äußern, sind schon immer marginal. Umso wichtiger finden wir es, uns darin zu positionieren und verschiedene Fragen zu stellen.
Einer der wesentlichen Aspekte fortschreitender Militarisierung ist ein Schließen der Reihen, ein Einschwören auf die nationale Gemeinschaft. Diese Verschiebung geht einher mit einer stetigen Faschisierung, geschlossenen Grenzen, rassistischer Hetze und Queerfeindlichkeit. Das ist kein Zufall. In einem solchen gesellschaftlichen Klima wird die Entscheidung, sich einem Zwangsdienst zu verweigern, als moralisch konstruiert; Betroffene müssen sich dem Vorwurf der Gewissenlosigkeit stellen. Der offenen Drohung mit sozialer Isolation und Repression steht auch ein Versprechen gegenüber:
Das Angebot – vor allem an die Ausgeschlossenen, die Prekarisierten – endlich akzeptiert und gleichberechtigt zu sein, gebraucht und somit in die Gemeinschaft (die sich vor allem über die Konstruktion einer Bedrohung von außen definiert) aufgenommen zu werden. Sowie ein Sold, der ökonomische Sicherheit verspricht. Und wer sich davon nicht überzeugen lässt – und diese Möglichkeit wird sehr offen diskutiert –, der soll eben gezwungen werden. Auch wenn es in Deutschland bis jetzt keinen Zwangsdienst, ob an der Waffe oder in einem der zahllosen kriegsrelevanten „zivilen“ Bereiche, gibt: Jede*r kann im Krisenfall schnell herangezogen werden. Der politische Schritt in Richtung Verpflichtung scheint fast so klein wie die parlamentarische Hürde, eine „ausgesetzte“ Wehrpflicht wieder zu reaktivieren.
Wir wollen uns mit denjenigen zusammentun, die einen anderen Weg zum Frieden und zur Freiheit wählen als über die kollektive Identität der wehrhaften Nation. Das Gespräch und die Praxis über eine Dekonstruktion des Militarismus – über alle Grenzen und Fronten hinweg – kann dabei helfen, einer Staats- und Machtideologie eine internationale Solidarität entgegenzusetzen.
Uns über Praxen der Verweigerung und Zersetzung des Militarismus auf allen Ebenen auszutauschen, gibt uns Kraft und Inspiration. Wir wollen eine Position stärken, die sich der Logik der Aufrüstung und der Militarisierung des Lebens widersetzt. Wir wollen unterschiedliche Perspektiven kennenlernen, die diese vermeintliche Normalität durchbrechen – sei es durch Verweigerung oder andere Formen des Widerstandes.
Im November 2024 haben wir uns bereits in Hamburg zusammengefunden, um uns darüber auszutauschen, wie Menschen in anderen Kontexten gegen die Wehrpflicht kämpfen, wie ihre Realitäten aussehen und welche gesellschaftlichen Auswirkungen sich zeigen. Wir haben gelernt, dass die Existenz eines Wehrdienstes ein Mechanismus ist, der Generation für Generation auf die militaristische Logik einschwört. Es ist ein Apparat, der auf jahrhundertealte Strategien der Unterwerfung und Unterdrückung zurückgreift, wobei Rassismus und Patriarchat als Bindemittel dienen. Dies steht sozialer Befreiung fundamental entgegen.
Aus anarchistischer Sicht geht es im Widerstand gegen die Einführung der Wehrpflicht und die Militarisierung also nicht bloß um die Verteidigung erkämpfter und errungener Rechte der Selbstbestimmung. Vielmehr geht es auch um die Frage, wie wir dem nationalistischen Rollback eine internationalistische, kämpferische Perspektive entgegensetzen können. Wir werden keine kriegslegitimierenden und autoritären Positionen akzeptieren und ihnen subversive, solidarische Praxen entgegensetzen.
Deswegen freuen wir uns, das Wochenende vom 14.–16. November 2025 wieder zu einem Moment des Austauschs zu machen – Mitstreiter*innen aus verschiedenen Teilen der Welt werden ihre Projekte vorstellen und ihre Erfahrungen und Analysen mit uns teilen.
Auch laden wir dazu ein, wieder schriftliche Beiträge einzureichen, die wir nach dem Event in einer Broschüre veröffentlichen werden!







