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Das Virus der Herrschaft

Die Covid-19-Pandemie greift tiefgehend in unser Leben ein, nicht nur wegen des Virus selbst. Das Virus, die (geschürte) Angst und die moralische Totalität überall, sowie konkrete staatliche Maßnahmen, sind auch Vielen von Nutzen. Weil Kriege immer nur den Herrschenden nützen, haben viele Politiker*innen den Krieg gegen das Virus ausgerufen und ein neues Zeitalter heraufbeschworen. Warum und wie nützt es denjenigen, die Macht und Geld haben? Wie offenbart sich diese auf Ausbeutung beruhende Gesellschaft?

 

Die Panik und der Krieg

Pandemien waren in der Geschichte schon immer einschneidende Ereignisse, die umgehend zur Restrukturierung der Herrschaft genutzt wurden. Covid-19 ist ein perfekter Feind, unsichtbar aber dennoch könnte er immer überall sein. Diese Allgegenwärtigkeit macht die Bedrohung, aber auch die Maßnahmen grenzenlos. Die Kriegspropaganda, nach der Regierungen und Konzerne angeblich plötzlich mit uns allen zusammen kämpfen – wir alle zusammen gegen den Feind – erlaubt weder Spaltungen noch Kritik. Die coronisierte Gesellschaft ist ein riesiges Testfeld, ein soziales Labor, um Strafen, Repression und Kontrolle in nie gekanntem Ausmaß zu testen. Maßnahmen, die angesichts zukünftiger verwüsteter oder überschwemmter Landstriche und den damit einhergehenden lebensnotwendigen Fluchtbewegungen und Konflikten wahrscheinlich sowieso auf uns zukommen werden. Diese Herrschaftstechniken gemeinsam mit einer Kriegslogik fordern Unterwürfigkeit und Gehorsam. Nähe bedeutet nun angeblich Abstand und Verantwortung bedeutet Anordnungen zu befolgen. Doch Gehorsam bedeutet immer den Entzug von Verantwortung. Dafür sind Wissenschaft und Staat Anker und Retter in der Not, was nichts neues ist, aber in diesen Zeiten an Dimension gewinnt. An der Grippewelle 2017/18 sind weltweit geschätzt 300.000 bis 600.000 Menschen gestorben, ohne dass es jemanden großartig interessiert hätte. Das Sterben ist dem Staat also im Grunde egal, außer es gefährdet die Wirtschaft und damit das ganze System, oder es erzeugt zu große Aufmerksamkeit und könnte die Regierenden in zu große Ungunst bringen und somit ihre Macht gefährden. Es reicht, wenn man am Schluss den Eindruck bekommt, dass alles für einen getan wurde, egal das dabei dabei tiefgehende gesellschaftliche Veränderungen von Oben herab angestoßen wurden.

Die kranke Gesellschaft

In einer Gesellschaft, in der alles zur Ware wird – egal ob Ding, Beziehung oder Gesundheit – sind die Maßnahmen der Herrschenden nicht für die eigentliche Gesundheit gedacht, sondern zur Verschleierung selbst verursachter Probleme und dem zwanghaften Fortbestehen dieses Systems (Welches auch davon lebt, dass Menschen sich beherrschen lassen). Wer fragt nach all denen, die an den Folgen von Umweltzerstörungen sterben? Es wird von 100.000en jährlich allein in Deutschland ausgegangen. Wer bekämpft diese Pandemie des Profits und des Luxus? Sicher nicht diejenigen, die davon profitieren, dass der Konsum unsere sozialen Verhältnisse bestimmt. Auf der anderen Seite sind finanziell ärmere Menschen stärker betroffen von Covid-19, wie auch von anderen Krankheiten. Sie müssen die ungesunde Drecksarbeit machen, können sich kein Bioessen leisten und müssen oft ungesünder leben, was die Folgen von Virenerkrankungen erheblich erhöht. Außerdem sind manche Zugänge zur Gesundheitsversorgung Reicheren vorbehalten. Was bleibt sind technologische Prothesen und Konsum zur Betäubung, um zu vergessen was qualitatives Leben ausmacht und vielleicht auch, was die Natur überhaupt ist, derer wir nur ein Teil sind. Gesund sein bedeutet somit kaufen und arbeiten, die Frage nach dem sozialen Wohlbefinden reduziert sich auf gelegentliche Dopaminausschüttungen. Krankheit ist mehr als ein Virusstamm, Krankheit ist auch soziale Armut, Vereinsamung, Unfähigkeit sich kollektiv zu organisieren oder individuell Verantwortung zu übernehmen. Oder eben auch Obrigkeitshörigkeit.

Das selbstgemachte Problem

Wir sollten mit der Natur leben, anstatt sie zu unterwerfen, denn wir sind selbst die Natur. Die Ausbreitung von Pandemien in solchem Ausmaß ist eine Folge (industrieller) Zivilisation. Zum Beispiel die Expansion des Menschen in entlegene Gebiete rückt den Menschen näher an manche Tiere heran, die vorher weitestgehend unter sich waren. Die Dezimierung der Artenvielfalt durch die Klimakatastrophe und der Anbau von Monokulturen zerstören Vielfältigkeit, die die Übertragungsketten unterbrechen würde. Einige Viren der letzten Jahre konnten sich auch erst durch Massentierhaltung so ausgeprägt entwickeln und verbreiten. Außerdem spielt die individuelle Immunabwehr eine entscheidende Rolle, wie sterblich eine Krankheit bei den meisten sein kann. Auch wenn immer wieder von „Gesunden“ berichtet wird, die an Covid-19 starben, so ist trotzdem klar, dass weitestgehend Menschen daran sterben, deren Immunsystem nicht sehr stabil ist. Ähnlich wie bei der spanischen Grippe am Ende des 1. Weltkriegs, die unzählige Menschenleben gefordert hatte, da viele nach dem Krieg unterernährt waren, wobei heute kaum noch jemand an der spanischen Grippe stirbt. So ist es klar, dass eine Lungenkrankheit in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung krassere Auswirkungen hat und die Letalität höher ist bei Menschen die ungesünder leben (müssen). Gleichzeitig sind Urlaube in entfernte Gebiete, dauernde Geschäftsreisen in die ganze Welt und vor allem auch das dicht zusammengepferchte Leben von Millionen in Städten optimale Ausbreitungsmöglichkeiten. Dort richtet sich das Gesundheitssystem nicht nach Bedürfnissen, sondern nach dem Markt, der Profit abschmeißen muss. Es ist gar nicht anders möglich im Kapitalismus, denn das ist die inhärente Logik: Mehrwert, Wachstum, Ausbeutung. Eine eigentliche Bekämpfung dieser Pandemie müsste diese ganzen Probleme, die industrielle Zivilisation selbst angehen.

Die neuen Götter

Die Kirche nutzte die Pest zur Ausweitung ihrer Macht durch eigene Legitimation des Glaubens gegen das Unerklärliche, aber auch durch Repression, Hexenverbrennungen und Kontrolle. Die Götter haben sich gewandelt, heute ist der Glaube an die Wissenschaft unumstößlich geworden. Ein Fakt ist ein Fakt ist ein Fakt. Wer sich schon einmal mit Statistiken, dem Beweis der Unfehlbarkeit, befasst hat, weiß dass sie je nach Frage, Auslegung und Intention oft das eine genauso wie das andere ausdrücken können. Nicht dass jede Wissenschaft falsch sei, aber sie entsteht aus der Logik der bestehenden Verhältnisse. Wenn diese also im Interesse einer profitorientierten Gesellschaft, dem Glauben der Absolutität verfallen und bestimmender Faktor ist, ist sie ein Herrschaftsinstrument und kein kollektives Wohlwollen. Die Statistiken verschweigen die Folgen des Einschlusses und der Distanzierung. Psychische Gesundheit kann nicht wirklich erfasst werden, selbstbestimmtes Handeln findet seinen Ausdruck ausschließlich in der Tat selbst. Nach all den fertiggemachten Kids, deren Eltern in einer fremdbestimmten Welt total überfordert sind, nach all den misshandelten Frauen, die noch mehr der häuslichen Gewalt einer patriarchalen Gesellschaft ausgeliefert waren, nach ihnen fragt niemand, für sie gibt es keine Statistik. Die neuen Götter folgen ausschließlich dem Dekret des Nutzens, der Effektivität und der Quantität. Der Glaube fördert dabei eine Konditionierung der Unterwerfung, da es angeblich nur diese Wahrheit gibt. Dieser Glaube ist Grundlage für eine Welt, in der die Technologie das mächtigste Werkzeug der Herrschaft ist und auch akzeptiert wird.

Der Meilenstein der Entfremdung

Tech-Experten geben diese Tage teils freudige Interviews. Die Digitalisierung der Gesellschaft und die dafür notwendige Akzeptanz habe während der Corona-Pandemie einen Sprung von Jahren gemacht. Für viele Betäubung in der Isolation und die einzige soziale Interaktion, ist die Normalität des virtuellen Lebens und der digitalen Kommunikation weiter in das Leben vorgedrungen. Diese Entfremdungstechnologien erzeugen eine künstliche Distanz, erhöhen die Unfähigkeit mit Konflikten umzugehen und gewöhnen an fremdbestimmte Stimuli von Außen statt an Erfolg durch eigene Anstrengung und Initiative. Die Intensivierung von Einsamkeit und Isolation, nicht nur während des Lockdowns, fördert extreme Abhängigkeiten der digitalen Prothesen und erleichtert somit die Möglichkeit der Fremdbestimmung. Amazon wird gleichzeitig zum Retter in der Not und ermöglicht sozialfreien Konsum. Vieles davon wird nach dieser Pandemie bleiben und sich weiter in Alles ausbreiten. Covid-19 ist DAS Argument für die Industrie 4.0, Automatisierung, Smartifizierung, für 5G und die Kommunikation durch Endgeräte. Und damit durch Konzerne, die das neue Gold der Daten schürfen und damit nie dagewesene Möglichkeiten zur Kontrolle und Manipulation erhalten. In jedem Supermarkt gibt es Bitten bargeldlos zu bezahlen, was neben den erhobenen Daten wunderbar in die europäischen Pläne passt, in den nächsten 20 Jahren das Bargeld und somit anonymes Bezahlen weitgehend abzuschaffen. Zur Kontrollgesellschaft gehört auch die Digitalisierung des Gesundheitssystems, welche nun starken Aufwind bekommen sollte und selbst den eigenen Körper immer mehr in fremde Hände legt. Viele dieser Techno-totalitären Tendenzen sind schon länger im Gange und in manchen Ländern wie China auch schon extremer ausgeprägt, durch die aktuellen Entwicklungen werden diese jedoch extrem manifestiert und ausgeweitet. Staaten und Konzerne heißen in diesem Sinne das Virus willkommen. Wenn diejenigen, die auf Kosten anderer Leben, etwas vorschlagen, sollte dies Skepsis oder gar offene Ablehnung und Feindschaft hervorrufen, denn es ist nicht zu deinem Besten oder gegen das Virus, sondern immer erst einmal für die eigenen Interessen.

Die neue alte Ordnung

Die aktuelle Pandemie ermöglicht eine umfassende politische Transformation, eine Restrukturierung der Herrschaft. Im sozialen Experiment der Covid-19-Maßnahmen von Oben herab werden bestehende Verhältnisse und Mechanismen neu geordnet. Soziale Kontrolle durch Staaten, der Wissenschaft und Firmen weitet sich extrem aus, sie sichert den Fortbestand der Ungleichheiten und dehnt einseitige Machtverhältnisse weiter in jeden noch so kleinsten Bereich des Lebens aus. Parallel werden vorher unvorstellbare Maßnahmen über Nacht Normalität. Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Militarisierung, Grenzschließungen und Abschottung gegen alles „von außen“ setzen neue Maßstäbe der Repression. Im Grunde ist dies Aufstandsbekämpfung und ein wunderbares Testfeld für zukünftige Konflikte, auch in den Köpfen Aller, denn das ist ja nun auch nichts außergewöhnliches mehr, oder? Andererseits kann man auch daraus lernen, dass nicht alles bleibt wie es ist, dass der Staat von heute auf morgen alles durchsetzen kann. Auch nichts neues, wer sich die Geschichte anschaut, aber vielleicht ist vieles fühlbar und fassbar geworden. Wir sollten mit Allem rechnen, dabei aber das Bestehende klar ertasten, denn nichts ist allmächtig oder unumstößlich. Klar ist zum Beispiel, dass im Rahmen der Corona-Maßnahmen viele Firmen Pleite gehen werden. Schon im März war Ökonomen klar, dass viele Betriebe durch große Player geschluckt werden. Eine nie dagewesene Monopolisierung der Märkte, die Machtkonzentrationen enorm erhöhen wird. Gleichzeitig können weltweit viele Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen, die Verschuldung steigt und damit die Abhängigkeit von Banken und Konzernen. Solange es Eigentum gibt, also Besitz den ich gar nicht selbst brauche zum Leben und benutze, wird es diese Ausbeutungsstrukturen geben. Solange es den Staat, den Markt und Herrschaftsmethoden allgemein gibt, wird es auch Krieg, Kontrolle, Manipulation und Ausbeutung geben. Die Angst ist dabei ein wunderbares Werkzeug zur Durchsetzung und Akzeptanz.

Das Leben statt das Überleben

Heute ist Sterben allenfalls Business. Die Verwaltung der Menschen drückt sich auch beim Sterben aus, Bestattungen sind ein notwendiges Übel, dass per Dienstleistung erledigt wird, um sich möglichst wenig mit dem Tod zu beschäftigen. Dabei verspricht der Markt, zumindest für diejenigen die es sich leisten können, immer älter, immer gesünder zu werden. Firmen wie Google wollen das Sterbealter auf 120 Jahre anheben, manche träumen von der Unsterblichkeit im Datenhimmel. Der Tod selbst wird aus dem Leben soweit es geht verbannt, obwohl ständig überall gestorben wird. Ja, wir werden alle sterben! Diese simple Erkenntnis und die Auseinandersetzung damit könnten uns helfen, ein lebenswertes Leben zu führen, denn die Angst vor dem Tod nimmt uns die Lust zu Leben. Den Tod zu respektieren, mit ihm Leben, mit ihm umgehen lernen, zeigt auch wie wertvoll unser Leben ist. Ein Grund neben anderen, warum in Italien so viele alte Menschen an Covid-19 gestorben sind, ist dass Viele noch bei ihren Familien leben statt vereinsamt im Altersheim und somit erhöhter Ansteckungsgefahr durch soziale Kontakte ausgesetzt sind. Das führt zu einer entscheidenden Frage, denn Leben und Überleben sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge: Was macht mir Freude, wer ist mir wichtig, in welcher Welt möchte ich leben – was ist die Qualität des Lebens? Ein Überleben ist wichtig um vom Leben zu Kosten, aber es reicht nicht aus, um das Leben zu genießen. Es geht hier nicht darum, den Tod zu bewerten, sondern ihn einzubeziehen als traurige Normalität, um ihnen die Macht zu nehmen, das Überleben sei der Heilige Gral, um zu sehen dass es ein lebenswertes Leben braucht. Doch dieses wird selten geschenkt, denn Angst macht gefügig. Es muss erkämpft und gelebt werden.

Die eigene Entscheidung

Wenn Zwang und Unterwürfigkeit entscheidende Komponenten der Fremdbestimmung sind, muss beides zersetzt werden. Entscheidungen sollten einer diskutierten und erfahrbaren Ethik erfolgen, kollektiv erarbeitet und individuell entschieden. Nur so kann Selbstbestimmung, können Freiheit und Autonomie wachsen. Dazu gehören auch Überlegungen, wie in solchen Situationen anscheinend totaler Kontrolle oder auch Ansteckungsgefahr Organisierung, Austausch und Treffen möglich sind. Denn dieses Virus war eine Übung, vergleichbar harmlos mit Viren die kommen könnten. Aber auch eine Übung zur Aufstandsbekämpfung für zukünftige Konflikte. Wobei sich außerdem die Frage stellt, wie Widerständige kommunizieren können in verschärften Situationen, auch offline ohne Überwachung und Abhängigkeit von Konzernen. Wie können Netzwerke gegenseitiger Solidarität aussehen? Wie Selbstverwaltung, im Besonderen auch in Situationen in denen der Staat zum einzigen Bezugspunkt lanciert? Wenn manche Methoden des bisherigen Widerstands schwierig werden wie Massendemonstrationen, welche Alternativen gibt es? Bei den jüngsten Protesten in Hongkong und den USA gibt es unkontrollierbare Ansätze wie spontane Zusammenschlüsse, selbstkoordinierende Kleingruppen, das Umfließen sowie die Akzeptanz unterschiedlichster Methoden. Weder kontrollierbar vom Staat, noch von den Linken oder irgendwelchen anderen Organisationen. Dabei wird in Zukunft wohl auch wichtig werden, dass der Umgang mit Krankheiten Spaltungen und Denunziationen hervorrufen können. Der Bulle, der sich im eigenen Kopf eingenistet hat, ist ein entscheidender Feind im Verhältnis zueinander. Was aber auch die Frage aufwirft, wie selbstverwaltet auf beispielsweise Pandemien reagiert werden kann und welche Ursachen dazu angegangen werden müssten. Und schließlich müsste überlegt und praktiziert werden, wie autonom eine Versorgung der Gesundheit und der Grundbedürfnisse selbstbestimmt organisiert werden könnte. Denn plötzlich hatten doch viele auf Papa Staat vertraut, dass er sich kümmert. Was sich jedoch jederzeit ändern könnte, und dann ist jede widerständige Beziehung und Praxis nicht nur Überlebens- sondern Lebenswichtig.

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