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Der Traum ist aus - Erfahrungsbericht von der Räumung

Heute ist Freitag der 13, und fast ganz Lützerath ist geräumt worden.

Bericht von Anonym:

Ich war dort und habe einiges Erlebt. Dieser Bericht ist subjektiv, fehlerhaft und schnell beschrieben, weil es gerade viele Interessieren könnte, die nicht dabei waren.

 

Anfang der Räumung

Die Blockadeaktion der Zufahrtstraße mit ca. 80 Aktivisten am frühen Morgen war ein voller Erfolg, und diese Blockade konnte mit Barrikaden und Monopods verstärkt werden. Dann kammen noch am Sonntag ungefähr 5000 Bürger zu besuch. Das hat uns ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Die Räumung dieser Zufahrstraße hat sich auch extrem herausgezögert und uns das Gefühl gegeben wir könnten jede Blockade so lange halten. Dann kam die Ernüchterung am nächsten Tag, das erste Mal wurde der Große Alarm ausgelöst und während ziemlich ungestört kleine Trupps von BFE-Bullen ins Dorf eindrangen, wurde der Zaun gegen Mittag ziemlich schnell hochgezogen. Die Barikaden haben gegen Fahrzeuge einen kleinen Sinn, weil sie diese kurz Aufhalten. Aber gegen Bullen die einfach an der Seite vorbei gehen sind sie sinnlos. Etwas traurig war am Südstern zu sehen wo 2 Aktivisten die aus dem Ausland hergereist waren und die Barrikaden mit Steinen verteidigen wollten plötzlich alleine da standen, weil alle anderen Vermummten längst die Flucht ergriffen hatten, ohne etwas zu werfen. Ein Aktivist warf sich dem ersten Bulle im vollen Lauf vor die Füße, so das dieser stolperte. Er bezog dafür kurz ein paar Schläge und Tritte, wurde aber dann nicht festgenommen weil die Bullen zu wenig Einsatzkräfte vor Ort hatten und erstmal die Flüchtende Meute weiter verängstigen wollten. Das verzögerte das Eindringen etwas. Von 100 komplett vermummten warf vielleicht einer einen Stein während andere schrien "keine Gewalt!", obwohl es keinen Aktionskonsens gab.

Zum Glück konnten die Eingänge der Häuser noch rechtzeitig geschlossen werden. Auch war es wohl sehr einfach die Straßen vor der Paula (dem Hof mit dem Regenbogentor) und dem Haus der Unbekannten (HDU)zu räumen, weil dort keine Stahlträger im Pflaster betoniert waren wie fast überall sonst. Die meisten Häuser hatten sich ohnehin auf keine Offensive Verteidigung geeinigt.

Paula Bewohner

Sehr verschieden Menschen. Ein Mensch im Rollstuhl, Queere Menschen, ein Minderjähriger. Auch in der Paula wollten viele Menschen einen friedlichen Konsens durchsetzten, scheiterten aber damit.

Viele weiße priviligierte Menschen die aus der Mittelschicht kommen und keine Erfahrung mit Drogensucht, Gefängnis, Psychatrie und den anderen Schattenseiten der Gesellschaft haben, aber das gilt wohl für die meisten Klimaaktivisten. Aber auch sehr viele junge Menschen.

Paula Räumung

Aus der Paula flogen vereinzelt Flaschen, Steine, Farbflaschen, Kartoffeln und viel Pyrotechnik. Es gab dort einen Riotraum, wo Aktivisten ihre Wurffähigkeiten trainieren konnten. Der erste Angriff mit der Hebebühne wurde wegen Wurfgeschossen auch abgebrochen. Später standen dann mehrere Hundertschaften auch auf der Rückseite und begannen sich vorzuarbeiten durch die Mauern und Barrikaden. Tatsächlich aber waren die Aktivisten längst im 2. Stock und hatten auf der einen Seite das komplette Treppenhaus herrausgerissen und auf der anderen Seite alles zugerümpelt und geschraubt. Später kammen dann die Bullen mit Leitern in den ersten Stock. Ich konnte nicht genau sehen wie Sie in den Hof eindrangen und was im 1. Stock geschah.

Sie konnten von dort aber nicht in den 2. Stock. Da kam dann eine große Hebebühne zum Einsatz. Alle Aktivisten mussten über die Hebebühne herausgebracht werden, weil die Bullen auch nach Stunden nicht das Treppenhausproblem gelöst hatten.

Vielleicht wäre eine aktivere Bekämpfung der Hebebühne möglich gewesen. Der Feuerlöscher den die 2 Bullen mit Schild abbekommen haben, hat bestimmt genervt. Zumal eine Hebebühne immer nur wenige Bullen hochbringen kann.

Leider war auch der sehr hohe Monopod im Hof unbesetzt, weil die Kletteraktivisten am Ende ihrer Kräfte waren mit der dauerhaften besetzung der Traversen und Beobachtungsposten.

Nachdem alle Aktivsten sich auf den Dachboden zurückgezogen hatten oder aufs Dach, dauerte es noch bestimmt 15 Minuten bis die Bullen das Stockwerk gesichert hatten. Nochmal 15 Minuten bis sie die Dachlucke aufgesägt hatten. Der Piratenradiosender war längst vernichtet.

Die Bullen waren relativ friedlich. Die Aktivisti wurden nicht gefesselt. Interessiert zeigten sie sich an einer "Falle", ein Seifenspender der dazu benutzt wurde die Tür automatisch zu zuhalten. Ebenso hielten sie Farbe in einer Flasche für einen Molotovcocktail und fanden noch etwas Feuerwerk. Sie montierten fast alle Metallgegenstände ab, wie Türgriffe. Vermutlich wegen Fingerabdrücken.

Räumung des Bunkers/ C4

Das Haus war nur mit 3 Aktivisten besetzt und bis kurz vor der Räumung waren sogar die Fenster und Türen nur mit Gardinen und Schließmechanismen gesichert. Dann wurde Spontan noch etwas vor jede mögliche Eintrittsöffnung gestellt. Die Bullen kamen dann nachdem sie mit dem HDU halb fertig waren. Weißhelme genügten, es schien nicht notwendig das BFE zu holen. Sie schoben das unbefestigte Gerümpel von den Türen und wurden dann kurz aufgehalten durch eine Rauchbombe die aus der Dachbodenlucke flog. Das verschaffte allen Aktivisten genug Zeit sich aufs Dach zu flüchten und zu vermummen. Ein Aktivist ging über die Traverse davon. Nebenbei, es waren alle Häuser und Strukturen über Traversen (Seile oder doppelseile an denen Mensch klettern kann) erreichbar. Auch die Kommunikation über Walki-Talkies, Alte Aktionshändys und Rufen (Mic-Check) war gut möglich.

Bewertung der offiziellen Berichterstattung

Es wird nicht berichtet über die verletzten Bullen und Aktivisten. Ein Mensch hat sich den Arm ausgekugelt als er in die Sicherung gefallen ist. Der Mensch hat sich danach den Bullen ergeben, um ins Krankenhaus zu kommen, aber seinen Klettergurt hinterlassen, obwohl er in vermutlich nie wieder sieht.

Festnahme

Die Bullen haben nämlich alle Klettergurte konfisziert, wer sie wiederhaben möchte, muss seine Identität angeben und sich mit allen Anklagen auseinandersetzten. Diese scheinen recht willkürlich gewesen zu sein. "Tätlicher Angriff, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten, Beleidigung, Pyrotechnik, Hausfriedensbruch, Landsfriedensbruch".

Dann gab es ein Foto. Davor mussten Menschen stundenlang im Regenstehen und frirren. Gefilzt wurde Mensch auch noch, allerdings sehr unterschiedlich stark. Eine Frau berichtet von grabschen. Im Haus selbst durften auch Frauen nur mit einem BFE-Bullen aufs Klo, der geglotzt hat, sehr unangenehm. Danach wurde unsere komplette Gruppe entlassen.

Nicht einmal in die Gesa haben sie uns gebracht.

Vergleich mit anderen Häuserkämpfen

Die Gewalt ist sicherlich sehr gering zu den aktiven Hausverteidigungen, beispielweise der Mainzerstraße. Aber das gilt ebenso für das sehr vorsichtige Vorgehen der Bullen. Ich bin sicher in der Riga94 oder anderen Räumungen sind die Bullen viel brutaler Vorgegangen. Das liegt nicht daran das sie nicht Bock haben oder nicht brutaler Vorgehen können, sondern an der Brisanz der Situation. Es ist ihnen bisher nicht wirklich gelungen die Bewegung in Extremisten und friedliche Umweltaktivisten zu spalten. Sie haben den Befehl bekommen möglichst wenig Gewalt anzuwenden. Das führt bei einigen Menschen vielleicht zu dem Eindruck sie wären eigentlich gar nicht so schlimm. Wenn du einen Bullen einmal mit dem Stein triffst, dann musst du dich nicht fragen ob er es verdient hat, du musst ihn fragen wofür. Jeder Bulle ist ein bezahlter Gewalttäter, das ist ihr Job.

Der Organisationsgrad dieser Besetzung war ziemlich Hoch. Sowohl eigene Ärzte, Juristen, Presse sogar in eigenen Strukturen, Awarnessmenschen, teure Werkzeuge (Schweißgeräte, Minibagger, Betonschneider), Funken, eigenes Radio, als auch Esssen für eine Wochen oder Monatelange Belagerung. (Tabak wäre als erstes Ausgegangen) Auch das UAC (Unser aller Camp) als Auffanglager für die Menschen ist extrem wichtig gewesen und sehr gut organisiert. Die Menschen hatten schließlich teilweise allen Besitz zurücklassen müssen und fanden dort freundliche Aufnahme, einen Schlafplatz und Anziehsachen und Essen.

Ebenso erstaunlich das viele Besetzter der militantesten Besetzung mit einem Foto und ohne endgültige Identitätsfestellung frei gelassen wurden.

Einige sind mit Vorstrafen in die Besetzung gegangen und haben damit gerechnet, in U-Haft zu kommen.

Das Verwenden eines Aktionsnamens (den Mensch nicht laut Brüllen kann sogar teilweise), das keine persönlichen Handys und Dokumente dabei waren und sich sogar auf Plena sehr viel vermummt wurde, hat es sicher selbst für eventuelle Zivis, Tatbeobachter und andere Verräter schwierig gemacht. Öfters Umziehen auch immer eine gute Idee.