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Nach diversen Datenschutz-Pannen & der Rolle der Gematik in den Skandalen um die ePA, war es längere Zeit ruhig gewesen um die elektronische Patientenakte. Um so mehr erstaunlich, dass der SPD und Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Anfang März 2023 verkündete: „Ende kommenden Jahres wird die elektronische Patientenakte für alle verbindlich“. „Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch mit dabei“. Auch das elektronische Rezept will er 2024 verbindlich machen.

Die elektroniche Patientenakte gibt es seit Januar 2021. Das Vertrauen scheint berechtigerweise nicht sehr gross. Weniger als ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich versicherten gesund02Patienten nutzen die ePA bisher.

Während der Sitzungsverband der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Eile mahnt („Die elektronische Patientenakte hat das Potenzial, zum Herzstück eines modernisierten Gesundheitswesen zu werden), mahnt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Keber, ebenso wie Deutsche Stiftung Patientenschutz: „Schweigen ist keine Zustimmung“. Konkret bedeutet dies, wer nicht aktiv widerspricht, stimmt zu.

Nicht eingegangen wurde auf die diversen Datenschutzskandale im Zusammenhang mit der ePA.

Der Vdek (Verband der Ersatzkassen) fordert Rahmenbedingungen für das Opt-Out-Verfahren zu schaffen. D.h. die regelmäßige Befüllung der ePA mit strukuturierten Daten muss der Regelfall werden. Diese Ankündigungen sorgte bei den Psychotherapeuten für Ärger. Sie lehnen die automatische Befüllung der elektronischen Patientenakte mit dem Opt-Out-Verfahren strikt ab. "Big Brother is watching you wird Realität, wenn die Vorstellungen der Krankenkassen eintreten. Weder Patienten noch Ärzte oder Psychotherapeuten haben Kontrolle darüber, was in der persönlichen Akte aufgenommen wird", sagt DPNW-Vorsitzender Dieter Adler.

Nebulös bleibt nach wie vor formuliert, wer berechtigtes Interesse hat auf die Daten der ePA zuzugreifen. Das fängt bei Universitäten (zu Forschungszwecken) an, berechtiges Interesse haben aber auch Pharmakonzernen oder Marketing-Agenturen an den Daten, oder den Behörden.

Dazu wurde von einem Mitglied einer großen bundesweit vertretenen Krankenkasse im November 2021 eine Anfrage zu diesem Thema an den Bundesdatenschutzbeauftragten (BFDI) gerichtet.

Der Versicherte fragte den Bundesdatenschutzbeauftragten: „Besteht rechtlich die Möglichkeit, dass andere Behörden (z.B. Polizei und Justiz) Zugriff auf die in meiner ePA gespeicherten Unterlagen nehmen können?

Als Begründung für seine Fragestellung hat der Versicherte auf einschlägige Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO) hingewiesen:

  • § 53 StPO  (Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger);
  • § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und
  • § 163 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren).

Daraus folgert er, „dass zwar meine elektronische Gesundheitskarte (§ 291a SGB V) einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 2 StPO unterliegt, nicht aber meine elektronische Patientenakte (§ 341 SGB V), sollte ich sie mir zulegen.“ Der Versicherte erklärt gegenüber dem Bundesdatenschutzbeauftragten: Vollends unruhig gemacht hat mich dann eine Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) im Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG)”. In dieser Stellungnahme vom 19.05.2020 wird auf S. 17/18 auf eine nach Ansicht der BÄK bestehende Gesetzeslücke hingewiesen. Unter der Überschrift „Beschlagnahmeverbot für Inhalte der elektronischen Patientenaktewird festgestellt: “… Der bislang bereits für die elektronische Gesundheitskarte geltende Beschlagnahmeschutz muss – wie im Referentenentwurf noch vorgesehen – auf die elektronische Patientenakte ausgedehnt werden. Anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt, ist es zweifelhaft, dass ein solches Beschlagnahmeverbot bereits nach derzeit geltendem Recht besteht. Dies soll sich laut Begründung aus § 11 Abs. 3 StGB ergeben. Diese Vorschrift regelt jedoch nur, dass Datenspeicher Schriftstücken gleichstehen. Es bleibt nach § 97 Abs. 1 StPO dabei, dass sich die Datenspeicher im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden müssen. § 97 Abs. 3 StPO erstreckt das Beschlagnahmeverbot nur auf solche Gegenstände, die sich im Gewahrsam einer mitwirkenden Person befinden… Bei der elektronischen Gesundheitsakte stellte sich ein vergleichbares Problem. Die Gesundheitskarte selbst und damit die auf ihr gespeichertes Daten befinden sich nicht im Gewahrsam des Arztes, sondern des Patienten. Der Patient ist jedoch nicht (ohne weiteres) als mitwirkende Person des Arztes anzusehen, so dass das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1, 3 nicht greifen dürfte. Daher hat der Gesetzgeber den Beschlagnahmeschutz auf die Gesundheitskarte erstreckt (§ 97 Abs. 2 S. 1 StPO). Diesen Schutz muss er jetzt konsequenterweise auf die elektronische Patientenakte erstreckenPatienten müssen sich darauf verlassen können, dass auch die Inhalte ihrer Patientenakte genauso vertraulich bleiben wie Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern und Arztpraxen. Andernfalls besteht die Gefahr eines massiven Vertrauensverlusts…“

Auf die Frage des Versicherten hat der BFDI u.a. darauf geantwortet,k dass die ePA von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt wird. Es handelt sich also nicht um Unterlagen, die sich im Gewahrsam des Arztes oder eines anderen Leistungserbringers befinden. Auf Krankenkassen würde sich das Beschlagnahmeverbot nach der gesetzlichen Regelung nicht erstrecken.

Im Klartext: Der BfDI schließt nicht aus, dass eine elektronische Patientenakte (ePA) incl. der darin dokumentierten Gesundheits- und Behandlungsdaten dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden unterliegt, wenn diese es im Einzelfall darauf anlegen.