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Der digitale Kapitalismus und die fortschreitende Digitalisierung sind Teil eines technologischen Angriff auf unsere Privatsphäre. Oft ist das Argument zu hören: „Ich habe nichts zu verbergen!“ So einfach ist das nicht! Der Einsatz digitaler Werkzeuge führt oft zu Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz. IT-Systeme durchdringen heutzutage alles. Es gibt Protokolle, Ereignis-Logs und zahlreiche weitere Daten, die lokal und in der Cloud gespeichert werden. Es verändert aber auch unser Verhalten und manipuliert unsere Psyche. So beschreibt der Autor Neal Stephenson vor fast 30 Jahren in seinem Roman „Snow Crash“ eine Angestellte die ein Rundschreiben überfliegt, ab und zu zurück blättert, um so zu tun, als würde sie einen vorherigen Abschnitt noch einmal lesen. „Der Computer wird das alles vermerken. Sie verändert ihr Verhalten, weil sie weiß, dass alles, was sie tut, erfasst, analysiert und an ihre Vorgesetzten übermittelt wird“. Im Jahr 2021 ist das für viele bereits brutale Realität.

Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien dringt durch die Erfassung von Daten über ArbeitnehmerInnen immer mehr in den betrieblichen Alltag ein. Die umfassende digitale Protokollierung von aufgezogengifArbeitstätigkeiten wird schnell zur permanenten Überwachung und Kontrolle. Dabei ist es relativ unerheblich, ob wir von Arbeitgebern gezwungen werden an Tracking, Kontroll- und Überwachungsmassnahmen teilzunehmen, oder ob das ohne unsere Einwilligung stattfindet, ob es legal oder illegal ist. Wir wissen, dass es jederzeit stattfinden kann. Unter permanenter Beobachtung zu stehen, führt dazu, dass wir unser Verhalten ändern und hat Einfluß auf unsere Psyche.

Im September veröffentliche der österreichische Forscher Wolfie Christl zusammen mit Hans Christian Voigt im Auftrag von Cracked Labs, eine 150 seitige Studie: „Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz“ (Von der Ausweitung betrieblicher Datenerfassung zum algorithmischen Management). Die sehr lesenswerte Studio kann als PDF runtergeladen werden: "Digitale Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz

Schwerpunkte der Studie sind:

- Personenbezogene Daten und Systeme im Betrieb

- Fallstudien über am Markt verfügbare Systeme- Fallstudien über Systeme in konkreten Betrieben

- Interviewbasierte Fallstudien über Betriebe in Österreich

In der Studie werden die Orte benannt, an denen Software für Kontrolle und Überwachung eingesetzt wird: Im Callcenter, im Lager, im Handel und Gastronomie, bei Fahrradkurieren, den Banken und der Finanzbranche… aber auch welche Firmen und welche Systeme wie Bewegungsmelder an Arbeitsplätzen, Sensoren in Schuhen und Helmen, GPS-Tracker in der Fuhrparkverwaltung eingesetzt werden,.

Schon länger bekannt ist die Praxis von Microsoft. "Die Software schickt permanent Nutzungsdaten an den Konzern und ermöglicht damit potenziell eine lückenlose Überwachung vieler Arbeitstätigkeiten", sagt Datenschutzaktivist WolfieChristl. Im Hilfebereich von Microsofts Hilfe/Unterseite wird es so beschrieben: „Überwachen der Benutzerproduktivität mit Produktivitätsbewertung“. Der „Productivity Score“ zeigt Unternehmen, wie einzelne Mitarbeiter arbeiten. Administratoren können nachvollziehen, ob und wie Angestellte Microsoft-Programme wie Word, Excel, Powerpoint, One Note, Outlook, Skype oder Teams nutzen. Sie erhalten Zugriff auf Dutzende Datenpunkte und sehen etwa, wann und wie lang jemand die Software öffnet, wie viele Dateien er aufruft, mit Kolleginnen teilt oder als Anhang verschickt, an wie vielen Tagen er im Teams-Chat aktiv ist und bei wie vielen digitalen Meetings er die Kamera anschaltet oder den Bildschirm teilt.

Gegen Kontrolle und Überwachung wehren!

Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber jegliche Form von Überwachung verboten. Auch hat er keinen allumfassenden Auskunfts- oder Datenerhebungsanspruch gegenüber seinen Mitarbeitern. Jedoch kann sich eine Erlaubnis zur Datenverarbeitung daraus ergeben, dass der Arbeitgeber zum Teil selbst dazu gezwungen sein kann, Daten von seinen Mitarbeitern zu erheben. So wird ihm die monatliche Lohnabrechnung nicht möglich sein, wenn er nicht zuvor die notwendigen Daten seiner Arbeitnehmer erfasst und gespeichert hat. Grundsätzliche Regelungen hinsichtlich des Datenschutzes sind im Bundesdatenschutzgesetz bzw. in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt.

überwachung pcsAber wie vorgehen, wenn mensch selbst, das Umfeld oder die Arbeitskolleg*innen davon betroffen sind? Wichtig ist Unterstützer*innen zu finden und gemeinsam über die Vorgehensweise zu sprechen. Ansprechpartner*innen können Gewerkschaften, Betriebsräte undAnwälte für Arbeitsrecht sein und gegebenenfalls kann es sinnvoll sein eine Öffentlichkeitskampagne zu starten. Eine weitere Möglichkeit sind Datenschutzbeauftragte, die sich mitunter aber nicht so gut im Arbeitsrecht auskennen und denen oft als staatliche Aufsichtsbehörde eine nachhaltige politische Rückendeckung fehlt.

Beispiele für erfolgreiche Interventionen sind der von Stern.de 2008 aufgedeckte Überwachungsskandal bei Lidl. Der Discounter hatte mit Hilfe von Detektiven mehrere hundert Beschäftigte in zahlreichen Filialen umfangreich überwacht. Mitarbeiter*innen gingen rechtlich gegen Lidl vor der Discounter wurde zu einer Gesamtstrafe in Höhe von 1,462 Millionen Euro verurteilt. Der Umsatz des Discounters ging nach Aufdeckung des Skandals zeitweise stark zurück.

Gegen den Onlinehändler Zalando wurde 2020 ein Prüfverfahren von der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (Maja Smoltczyk) eingeleitet. Anlass dafür waren die digitalen Systeme („Zalos“ „Zafeto“ „Zonar“) die der Onlinehändler in seinem Logistikzentrum nutzt, um Abläufe zu optimieren. In den Logistikzentren tragen die Mitarbeiter sogenannte MDEs (Mobile Datenspeicher) bei sich. Das sind Geräte, mit denen sie die Artikel, die von Kunden bestellt worden sind, registrieren, diese also „picken“. Das System auf diesen MDEs heißt Zalos. Es zeigt dem Mitarbeiter an, wo sich der nächste Artikel befindet, den er auflesen muss. Es berechnet für den Mitarbeiter auch die genaue Laufstrecke zu diesem Artikel. Der Teamleiter weiß etwa, wo sich die Mitarbeiter*innen aufhalten. Die Berliner Datenschutz-Aufsichtsbehörde veranlassten Anpassungen.

Im Oktober 2020 enthüllten Journalisten des ARD-Magazins „Panorama“ dass Amazon seine Mitarbeiter*innen während der Arbeit permanent via Software überwacht. Der Plattform-Gigant Amazon setzt in seinen globalen Paketverteilzentren für hunderttausende Beschäftigte ein umfassendes System zur sekundengenauen Leistungskontrolle und automatisierten Steuerung jedes noch so kleinen Arbeitsschritts auf Basis von Handscannern ein. Die Handscanner sind dabei nicht nur mobile Aufzeichnungs- und Überwachungswerkzeuge, sondern geben mittels Display vor, welches Produkt als nächstes aus einem Regal geholt, in eine Kiste gelegt oder in ein Regal gestellt werden soll – und zählen die Sekunden hinunter, die für den nächsten Arbeitsschritt zur Verfügung stehen. Ist der Zähler abgelaufen, wird die restliche Zeit als „unproduktive“ Zeit aufsummiert. In Niedersachen untersagt die Datenschutzbehörde diese Praxis nun teilweise. Rückenwind erhält sie dabei von der Gewerkschaft ver.di. Weitere Bundesländer könnten dem Bescheid folgen und Amazon droht neben dem Verbot der Software möglicherweise ein Bußgeldbescheid. Amazon will dagegen klagen.

Es gibt kleine Erfolge und macht Sinn sich gegen Kontrolle und Überwachung am Arbeitsplatz zu organisieren.