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Gedanken eines Gesuchten

 Hallo liebe Genoss:Innen,

ich kann zu mir leider nicht viel sagen außer das ich Antifaschist bin und das per Öffentlichkeitsfahndung nach mir gesucht wird. Ich habe mich nach langem Überlegen und Diskussion dazu entschieden mit diesen Worten ein zumindest halbwegs öffentlichen Umgang mit der Fahndung zu finden, obwohl sie bisher zum Glück erfolglos ist. Ich habe damit die Möglichkeit etwas gegen meine Ohnmacht zu tun und ein bisschen aus dem Innenleben eines gesuchten Antifaschisten zu erzählen. Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen und sagen was mir im Umgang mit der Repression geholfen hat und an euch appellieren.

Als ich über die Öffentlichkeitsfahndung informiert wurde, wusste ich was ich tun muss. Zu meinen Genoss:Innen gehen. Ich hatte im Moment des unmittelbaren Schocks Menschen die mir zur Seite standen. Mit denen ich über meine Gefühle reden konnte, mit denen ich aber auch vor allem diskutieren konnte was die nächsten Schritte und der weitere Umgang seinen könnten. Diese Genoss:innen stehen auch heute noch an meiner Seite und sind oft genug der Grund warum ich mich trotz der Repression noch nicht in ein bürgerliches Leben verzogen habe. Nicht nur weil sie mich auffangen sondern in erster Linie weil sie mit mir diskutieren, wie es politisch weiter gehen kann und weil sie allen Angriffen auf unsere Bewegung zum Trotz nie aufhören den politischen Kampf fort zu führen. Dieser letzte Punkt, das Fortführen des Kampfes gegen Staat und Kapital, ist was mich am meisten bei der Stange gehalten hat. Ich bin in den Wochen nachdem ich von der Öffentlichkeitsfahndung erfahren habe depressiv geworden, hatte Schlafstörungen, bin nicht zur Arbeit gegangen. Meine politische Arbeit konnte ich jedoch fortführen. Weil ich Genoss:Innen habe die mir mit großer Selbstverständlichkeit obwohl ich gesucht werde die politische Betätigung voll umfänglich möglich machten und heute immer noch machen. Die Solidarität ist in erster Linie das was dafür sorgen konnte das die Repression ins Leere gelaufen ist. Das weiter Machen ist allerdings auch kein zu unterschätzender Punkt: wenn die antifaschistische Bewegung nicht weiter kämpft und aus der Repression keine offensiven Lehren zieht dann hat die Repression getroffen, dann gehe ich ohne Rückhalt, ohne Sinn in den Gerichtssaal, sollte ich einmal entdeckt werden.

Ich denke das nicht möglichst verschwiegene, kleine, klandestine Organisationen uns vor der Repression schützen sonder im Gegenteil eine möglichst große, lebendige, vielseitige und schlagkräftige Bewegung der effektivste Schutz gegen Repression ist. Ein solche Bewegung ist der Grund warum ich kämpfe und der einzig sinnvolle Weg den ich sehe. Ich meine aber nicht, das nicht auch klandestine und verlässliche Oraganisationen notwendig sind um in unserer jetzigen Situation und in Zukunft auch in den Phasen der Schwäche revolutionärer oder potenziell revolutionärer Bewegungen den Kampf aufrecht zu erhalten.

Ich denke wir dürfen unsere Aktionen -gerade die militanten- gegen Staat, Kapital und Faschismus niemals einstellen. Wenn wir merken das eine Aktionsform nicht mehr geht weil sie zu viel Repression nach sich zieht dann müssen wir die Aktionsform ändern, nicht aber das Niveau der Attacke senken oder die Legitimität der militanten Aktion als solche in Frage stellen.

Der politische Umgang mit Repression ist schwierig, aber notwendig. Die Repression trifft in den allermeisten Fällen Einzelne, sie ist schmerzhaft, sie vereinzelt einen wenn man nicht dagegen kämpft und niemanden hat der mit einem kämpft. Der politische Umgang mit Repression, seien es politisch geführte Gerichtsprozesse, Solidaritätsveranstaltungen oder militante Aktionen sind aber der einzige Weg auf Dauer die betroffene Person und die Bewegung zum weiter machen zu befähigen. So ist auch dieser Text nicht als ein Beugen, ein Bekenntnis zur Hilfslosigkeit zu verstehen sondern als ein „Fickt euch!“ an die Repressionsorgane.

Zuletzt möchte ich noch allen Gefangenen und Untergetauchten viel Glück und Freiheit wünschen, denen ich mich seit ich gesucht werde noch ein Stückchen näher fühle. Feuer und Flamme der Repression! Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!