was wir wollen
Das Alpen-Rhizom
den Kapitalismus überwinden - eine gerechte Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung!
Es war einmal vor langer Zeit, da erhob sich ein behäbiges Völkchen am Fusse der Alpen und rang um eine der wenigen erfolgreichen Revolutionen in der Geschichte Deutschlands. Die Menschen hatten genug von der Barbarei des Ersten Weltkrieges - sie waren kriegsmüde und geplagt von Unterdrückung, Armut und Hunger. Am Fuße der Alpen organisierten sie daher den Widerstand gegen die Monarchie. Man diskutierte, demonstrierte und streikte, es wurden Veranstaltungen organisiert, Bauern- und Arbeiterräte gegründet und in München stürmten Arbeiter*innen und Soldaten die Regierungsgebäude und stürzten, völlig unblutig, die 738 Jahre herrschende Wittelsbacher Monarchen-Dynastie. Die bayerische Räterepublik existierte für kurze Zeit bis zur blutigen Niederschlagung durch Freikorps und Regierungssoldaten.
100 Jahre später gibt immer es immer noch Kriege (28 Kriege oder bewaffnete Konflikte weltweit im Jahr 2018). Die meisten Menschen werden weiter unterdrückt und ausgebeutet umd dem Hunger überlassen. Selbstgesteckte Klimaziele werden verfehlt,und die verwertungsgesteuerte Plünderung natürlicher Ressourcen und die Abfallprodukte des ungezügelten Konsums machen immer weitere Teile des Planeten unbewohnbar.
Das Alpen-Rhizom ist Alpenvorland, da wo die Räterepublik vor hundert Jahren die Monarchie beerdigte. Angelehnt an die politsche Definition des Rhizoms kreucht und fleucht es durch die Natur und verbindet sich unter der Erde, im Wald oder auf der Wiese mit anderen rhizomatischen Gewächsen. So entwickeln sich Wurzelgeflechte. Widerspenstig vernetzten sich regional und überregional, und dort wo das Sprossachsensystem getrennt oder zerstört wird, wuchert es entlang seiner eigenen oder anderer Linien weiter.
.Der Begriff Rhizom kommt aus der Botanik und bezeichnet eine reich verzweigte, unterirdische Struktur spezieller Pflanzen, die sich aus Wurzeln und Sproß zusammensetzt. Das Rhizom (griech. ῥίζωμα rhizoma ‚Wurzel‘) ein zentraler Begriff der Philosophie von Gilles Deleuze und Félix Guattari, entwickelt in den 1970er Jahren.
Deren, metaphorische Verwendung des botanischen Begriffs Rhizom charakterisiert zunächst ihre eigene Schreibweise, die Hierarchien ablehnt, also nicht entsprechend der traditionellen Form des Baums des Wissens konzipiert ist. Jeder Punkt eines Rhizoms kann mit jedem anderen verbunden werden. Elemente, die dabei miteinander verknüpft sind, können z.B. "politische, ökonomische und biologische Kettenglieder sein".
Eine Webseite oder das Internet ist kein Rhizom, und doch ein Ort der Vernetzung politischer und sozialer Bewegungen, sowie ein Pool unendlich vieler Informationen.Im Alpenvorland sind widerspenstige Initiativen, die quer zum Strom schwimmen, marginal. Das Ziel des Alpen-Rhizoms ist es, sie zu vernetzen, neue Synergien entstehen zu lassen, Gegenöffentlichkeit zu schaffen, Netzwerke und Austausch zu organiseren.
Warum Widerstand im Zeitalter des kommunikativen Kapitalismus so schwierig ist!
Warum Widerstand im Zeitalter des kommunikativen Kapitalismus so schwierig ist!
Ende Januar fand in München eine zweitätige Konferenz: „WAR UNMASKED“ statt. Eines der Veranstaltungsthemen war: „Anti-Kriegsprotest im Zeitalter der medialen Postideologie“ mit Elisabeth Korn (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Fernsehen und Film München). Aus der Veranstaltungsankündigung: „ Der Gedanke, dass Aktivismus bei Anti-Kriegsprotesten betrieben werden kann, indem man dem Gegenüber einfach „die Fakten“ offenlegt und die „wahre Lage“ erklärt, entspricht einem veralteten Ideologieverständnis. „Die aktuelle Medienkonsumpraxis widerspricht diesem Verständnis: Ideologisches Handeln hat sich vom tatsächlichen Wissensstand schon lange entkoppelt – wie Slavoj Zizek meint.
Trotz weltweiter Proteste von Millionen von Menschen begann im März 2003 die US-amerikanische Invasion des Irak. Trotz Terabyte an Kommentaren, weltweiten Anti-Kriegsprotesten gelang es nicht die Invasion zu stoppen. Die Proteste der Klimagerechtigkeitsbewegung stehen vor einer ähnlichen Tatsache. Es ist eine generelle Frage, warum Widerstand - im Zeitalter digitaler Medien und des kommunikativen Kapitalismus sich so schwierig gestaltet. Wir sollten uns daher mehr mit den Bedingungen und Auswirkungen der Digitalisierung beschäftigen. Darum soll es schwerpunktmässig in den folgenden Thesen und der Suche nach Antworten gehen:
„Wenn wir den fatalen Zyklus von immer neuen entstehenden Initiativen und ihrem folgenden Scheitern - sei es durch Integration in das kapitalistische System, durchbrechen wollen, müssen wir eine klarere Vorstellung davon entwickeln, woran konkret solche Projekte scheitern, welches die Einfallstore für das Eindringen der Kapitalrationalität sind, wie es in den Initiativen und alternativen Organisationen des Widerstands in bestimmten Situationen zu im Sinne ihrer Autonomie „falschen“ Entscheidungen kommt. „ (Zitat Holger Heide) https://kulturladen.org/index.php/themen/neoliberalismus/12-angst-und-kapital
Um eine klarere Vorstellung zu entwickeln, woran wir konkret scheitern, müssen wir unsere Gewohnheiten und politischen Handlungsweisen hinterfragen.
Dazu ein paar Thesen und ein Ausblick nach vorne.
1. Es hindert uns unsere Angst, bzw. der Verlust von Wohlstand, finanzieller Sicherheit, Gewohnheit ...die uns an den Kapitalismus bindet. Im unterbewußten Gedächtnis des Menschen bleiben die Niederlagen, der Arbeiter*innenbewegung der letzten Jahrhunderte hängen.
2. Mit dem Begriff „Postideologie ist ein Zeitalter gemeint, in dem die Menschen weitestgehend frei von staatlichen Zwängen und ideologischen Vorstellungen leben(*1). Stattdessen ist diese Zeit durch pragmatische und realistische Denkmuster geprägt. Als Orientierungsmaßstab gelten bestehende Tatsachen und Fakten, also die gelebte oder erzählte „Realität“.
3. Im Kommunikativen Kapitalismus ist die Kommunikation zum Produktionsmittel geworden. Dadurch sind wir zu einer Ressource für das Kapital geworden. Unsere Daten die wir bei Google, Facebook, TikTok hinterlassen, werden ausgewertet und weiterverkauft.
4. Sind wir bereit für Social Media und wollen wir das überhaupt? Fast 21 Mio Deutsche nutzen z.B. Tik Tok. Der Filter- und Sortieralgorithmus begünstigt Inhalte die polarisieren. Haben wir uns mit den Filter- und Sortieralgorithmus auseinandergesetzt und wie wollen wir dem begegnen?
Zur These eins:
In der langen Geschichte der Menschheit findet sich eine nicht versiegende Triebkraft, die sich gegen die Vereinnahmung durch das Kapital gewehrt hat. Die Triebkraft des Menschen, alles zu tun um das Überleben, wie z.B. Essen zu sichern, schafft in den heutigen Gesellschaftsformen langfristig Abhängigkeiten vom Kapital. Diese Abhängigkeit wird existenzieller - je mehr zum einen die eigene Subsistenz verloren geht und zum anderen kollektive Lebens-Strukturen. Es entsteht der Zwang dem Kapital die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, wenn im Gegenzug Essen, Wohnen oder finanzielle Sicherheit angeboten wird. Denn es fehlen Alternativen.
Trotz in der Geschichte vorrübergehend „großer Siege“ haben soziale, revoltierende Bewegungen & Klassenkämpfe es nicht geschafft sich wirklich vom Kapital zu lösen oder wurden zerschlagen.
Während der November Revolution 1918 / 1919 entstanden als Folge des Kieler Matrosen Aufstandes in vielen Städten der Weimarer Republik Arbeiter- und Soldatenräte. Nachdem Teile des Militärs am 13.3.1920 durch den Kapp / Lüttwitz / Ludendorf Putsch die Republik abschaffen wollten ,kam es schon nach 4 Tagen durch einen Generalstreik zum Ende dieses präfaschistischen Putsches . Im Ruhrgebiet wollte es die Arbeiter/ inneschaft nicht dabei belassen. Sie wollte mehr als eine parlamentarische Demokratie, bildete die Rote Ruhrarmee und besetzte in schweren Kämpfen große Teile des Ruhrgebiets, des Sieger-und Münsterlands.
Alle diese Aufstände und die Arbeiter/ Soldatenräte wurden mit tausenden Toten durch den Einsatz von Freikorps und regulären Reichswehrtruppen zusammengeschossen. Teile der Freikorpstruppen trugen schon damals ein Hakenkreuz am Stahlhelm....
Wir verweisen auf Erhard Lucas Märzrevolution 1920, Verlag Roter Stern.
Auf der proletarischen Ebene von Klassenkämpfen gehen erlittene Niederlagen ebenfalls nicht spurlos an den Betroffenen vorbei. Kinder erleben z.b. wie die Eltern als Arbeiter*innen vor dem Vorarbeiter und Chef buckeln müssen. Diese sozialen Erfahrungen durchsetzen vielerorts die gesellschaftliche Realität. Widerstand ist zwecklos.
zur 2.ten These:
Gefördert wird der öffentliche Diskurs über alle politischen Themen und die öffentliche Beratung der Bürger und Bürgerinnen. Das umfasst öffentliche Beratung, die Mitwirkung der Bürger an öffentlicher Kommunikation und andere Formen der Einbeziehung der Bürger in die politische Willensbildung, nicht jedoch in die direkte Entscheidung einer Sachfrage durch die Bürger (z.B. Volksabstimmungen).
Aktuell können wir das in der Debatte um die AFD und den Enthüllungen des Recherchenetzwerkes Correktiv beobachten. Die Medien berichten fast jeden Tag über Proteste, Lichterketten, Demonstrationen und mit der Parole für den „Erhalt der Demokratie“. Gemeinsam demonstrieren Politiker*innen und Bürger*innen Hand in Hand gegen Faschismus und Rassismus. Und gleichzeitig werden Gesetze gegen Migration verschärft und Antifaschist*innen verfolgt. Es wird öffentlich zu Demonstrationen und Mahnwachen aufgerufen. – Entscheidungen, wie dem Rechtsruck zu begegnen ist, bleiben der Politk vorbehalten, ohne ein Mitbestimmungsrecht der Bürger*innen.(*2)
Oder im Konflikt um Waffenlieferungen an die Ukraine. Täglich erkären uns Expert*innen wie Anton Hofreiter oder Agnes Strack-Zimmermann, dass es keine Alternative zu Waffenlieferungen und Aufrüstungen gibt, die 100erte an Milliarden verschlingen. Die Bürger*innen werden weder gefragt noch an Entscheidungen beteiligt, ob das Geld nicht besser in Bildung oder öffentliche Infrastruktur gesteckt werden sollte.
Oder die US-amerikanische Invasion des Iraks 2003. Millionen von Demonstrant*innen versammelten sich simultan am 15. Febr. 2003 in 800 Städten für den bis dahin größten bekannten Protest der Menschheitsgeschichte. Die Entscheider*innen hat das nicht beeindruckt.
Wir können protestieren, demonstrieren und Forderungen stellen, aber zu entscheiden haben wir nichts.
Und Demokratie ist als politsches Ziel komplett wertlos, weil alle irgendwie für Demokratie sind. George W. Bush hat verschiedene Länder im Namen der Demokratie bombardiert, Obama hat Drohnenkriege im Namen der Demokratie geführt und es gibt viele Beispiele mehr.
Daher stellt sich die Frage, was ist Demokratie? Ist Demokratie, dass die Bürger*innen alle 4 Jahre wählen gehen dürfen, beeinflußt durch die öffentliche Meinungsmache? Und was ist mit den Nichtwähler*innen, die den Glauben an die Demokratie verloren haben? Macht es überhaupt Sinn, Forderungen an eine „Demokratie“ zu stellen, die eigentlich gar keine ist?
Zu glauben mit Aktivismus bei Anti-Kriegsprotesten oder in der Klimagerechtigkeitsbewegung etwas zu erreichen, indem „die Fakten“ offengelegt werden, entspricht einem veralteten Ideologieverständnis – wie Karl Marx meint: „Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ In der medialen Postideologie hat sich ideologisches Handeln vom tatsächlichen Wissensstand schon lange entkoppelt – wie Slavoj Zizek meint: „Sie wissen es, aber sie tun es trotzdem.“ Bedeutet übersetzt z.B. , dass die Menschen wissen, dass es einen Klimawandel gibt, dass wir Klimakipppunkte erreichen und der globale Erdüberlastungstag für Deutschland in diesem Jahr bereits auf den 4. Mai fällt. Oder wir wissen, daß unsere Daten ausspioniert und weiterverkauft werden. Und wir lassen es trotzdem zu.
An den Alltagsgewohnheiten der Menschen hat sich trotz dieses Wissens wenig geändert.
Zur dritten These:
Im Kommunikativen Kapitalismus ist die Kommunikation zum Produktionsmittel geworden. Ein Beispiel: Immer wenn wir unsere Smartphones, Laptops, Tablets benutzen, wird alles, was wir produzieren, zu einer Ressource für das Kapital, also die Daten, die für Google so wertvoll sind, die sie speichern und für Werbung weiterverkaufen, die sie auswerten um Muster zu finden, mit denen sie dann neue Geschäftsmodelle erzeugen, die sie dann als Plattformen und Wissen an andere Unternehmen verkaufen können. Egal, wie wir elektronisch kommunizieren, jemand anderes besitzt das, was daraus entsteht. Das macht den Kommunikativen Kapitalismus aus. Und der Kommunikative Kapitalismus konnte überhaupt erst so übermächtig werden, weil er demokratisch daher kommt.
Oft wird geantwortet „ich habe doch nichts zu verbergen“. So einfach ist das nicht. Das OCEAN-Modell (Big FIVE Persönlichkeitsmerkmale) genannt, versuchtdie Charaktereigenschaften eines Menschen mit nur fünf Adjektiven zu beschreiben. Die amerikanischen Psychologen Paul Costa und Robert McCrae konnten nachweisen, dass genau das möglich ist. Die Eigenschaften von Menschen lassen sich mit fünf Adjektiven zusammenfassen: - 1. Offenheit 2. Gewissenhaftigkeit 3. Extraversion (wie gesellig sind Sie?) 4. Verträglichekit 5. Neurotizismus (Sind Sie leicht verletzlich) – und das auf der ganzen Welt.
Mit dem Wissen um Persönlichkeitsmerkmale lassen sich passgenau für Wahlen, für Werbung, für Datengewinnung Profile erstellen und Menschen beeinflussen. Laut Aussagen von Michael Kosinski (Experte für Psychometrik und Mitbegründer von C.A.) „Cambridge Analytica“ hat dieses Modell die US-Wahlen zu Gunsten von Donald Trump beeinflußt. Cambridge Analytica gibt als ihre Kernkompetenz neuartiges Politmarketing, sogenanntes Mikrotargeting an – auf Basis des psychologischen Ocean-Modells. (*3)
Die Frage ist daher nicht, ob wir etwas zu verbergen haben, sondern ob und wie wir uns manipulieren lassen. Oder anders rum gefragt: würden alle Bundesbürger täglich beim Nachhausekommen ihren Briefkasten aufgebrochen, die Post geöffnet, in die Wohnung eingebrochen und alle Sachen durchwühlt vorfinden, es gäbe sofort einen gewaltigen (medialen) Aufschrei und massive Proteste. Im Reich des Digitalen ist Vergleichbares gängige Praxis, doch es regt sich so gut wie kein Widerstand.
Jeder Einkauf mit der Karte, jede Google-Anfrage, jede Bewegung mit dem Handy in der Tasche, jeder Like wird gespeichert. Besonders jeder Like. Lange war nicht ganz klar, wozu diese Daten gut sein sollen – ausser dass in unserem Facebook-Feed Blutdrucksenker beworben werden, weil wir gerade «Blutdruck senken» gegoogelt haben.
Einer der größten Datenhändler Deutschlands ist die Firma Schober. In der Datenbank von Schober sind Stand 2016 50 Millionen Privatadressen mit jeweils hunderten Zusatzmerkmalen zu Konsumverhalten, der Wohn- und Lebenssituation und weiteren soziodemographischen Faktoren gespeichert. Mit diesen Daten wird der "Customer Lifetime Value" einer Person bestimmt, sprich deren Kreditwürdigkeit und Kaufkraft. Diese Kategorisierung nennt sich "Scoring" und ist mittlerweile ein Milliardengeschäft - allerdings ohne dass die Betroffenen davon nur eine Ahnung haben. Jeder von uns hat einen solchen Score, ohne es zu wissen. Dabei entscheidet dieser Score-Wert wesentlich über unser Leben. Der Score-Wert entscheidet z.B. über die Kredit-Würdigkeit und den damit verbundenen Zinssatz. Und natürlich kann auf Grundlage der persönlichen Datenprofile auch die Werbung individuell angepasst werden. Die Acxiom Deutschland GmbH, eine Tochter der Acxiom Corporation, dem größten amerikanischen Datenhändler, kann laut eigenen Angaben für jeden Straßenabschnitt Deutschlands die Zugehörigkeit zu zehn unterschiedlichen Kulturkreisen ausweisen - mit Kategorien wie "außereuropäisch-islamisch, Spätaussiedler, Balkan oder afrikanisch/südlich der Sahara". Solche Informationen verkauft Axciom an Unternehmen, die gezieltes "Ethno-Marketing" betreiben wollen.
Zur vierten These:
Social Media - nicht nur im politischen Diskurs abhängig von den Filter- und Sortier-Algorithmen der Betreiber-Konzerne. Diese setzen mehr auf Emotionen, als auf „Wahrheit“. So erreichen AFD-Accounts mehr Interaktionen, als Accounts der anderen fünf Parteien zusammen. Nehmen wir als Beispiel Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AFD. Sie zitiert darin den ehemaligen tschechischen Präsidenten Miloš Zeman: „Falls Sie in einem Land leben, in dem sie für das Fischen ohne Anglerschein bestraft werden, jedoch nicht für den illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass, dann haben Sie das volle Recht zu sagen: Dieses Land wird von Idioten regiert.“ Mehr als 10 Millionen Menschen haben das Video gesehen, knapp 770.000 Likes und mehr als 11.000 Kommentare hat es erzielt. Viele Nutzer*innen stimmten dem Zitat zu.
Das bedeutet, auch in sachlichen Videos oder Kommentaren direkt an die Werte der Nutzer*innen zu appellieren – ohne Scheu zu haben, dabei auch Emotionen einzusetzen.
Ein weiterer Punkt: Die Zirkulation von Inhalten in den dichten, intensiven Netzen der globalen Kommunikation entbindet die Akteure der obersten Ebene (Unternehmer, Institutionen..) auf Protest und Widerstand zu reagieren. Anstatt auf die Botschaften von Aktivisten und Kritikern zu antworten, kontern sie mit eigenen Beiträgen zum zirkulierenden Kommunikationsfluss, in der Hoffnung, dass ein ausreichendes Volumen ihren Beiträgen Dominanz oder Klebrigkeit verleiht. Die Verbreitung, Verteilung, Beschleunigung und Intensivierung des kommunikativen Zugangs führt zur Überforderung mit der Verarbeitung der Informationen.
Viele Initiativen legen den Schwerpunkt der Kommunikation auf social Media und sind über konventionelle Kontaktmöglichkeiten, wie Webseiten oder via email nicht oder nur schlecht erreichbar. Was bedeutet das für die Teilhabe von Aktivist*innen die nicht bereit sind ihre Daten Meta, Google etc. zu überlassen, weil sie Big Data kritisch gegenüberstehen? Aktivist*innen sind dann unter Umständen abgehängt von Terminen, Demonstrationen, Veranstaltungen oder Treffen. Wird das mitgedacht und bedacht?
Bedacht werden muss auch, dass sich das nur verlassen auf digitale Medien angreifbar macht. So wurden z.B. kürzlich vor den Wahlen in der Türkei von staatlicher Seite social media eingeschränkt oder abgeschaltet. Ähnliches Vorgehen gab es bei den Protesten im Iran, oder z.B. in China. Mitgedacht werden muss also auch, dass die Entscheider mitlesen und Informationen über Protestbewegungen sammeln.
Zum Ausblick nach vorne:
- Alles, was neu, originell und außeralltäglich ist, hat in unserer Mediengesellschaft die Nase vorn. Damit man in der breiten Bevölkerung den notwendigen Rückhalt schafft und nicht eine Distanzierung, sollten die eingesetzen Mittel dazu auch verhältnismäßig scheinen (Demokratieforscherin Anna Nora Freier)
- Die Idee des Protests, der Antrieb auf die Straße zu gehen und Präsenz zu zeigen, bauen oft auf einem kommunikativen Ideal der deliberativen Demokratie auf. Das Zuhören der Bevölkerung und des Staates als repräsentative Körperschaft einer Nation werden verlangt. Wie weiter oben bereits ausgeführt, scheint das die Entscheider*innen nicht sehr zu beeindrucken. Außer vielleicht – wenn dahinter eine starke Lobby steht, wie z.B. bei den Bauernprotesten. Aber selbst dann sind die Erfolge bescheiden, wie wir aktuell sehen.
Wie in These 2 formuliert „Sie wissen es, aber tun es trotzdem“ müssen wir uns damit auseinandersetzen was dies für politischen Aktivismus bedeutet?
- Der kommunikative Austausch ist nicht die Grundlage der demokratischen Politik, sondern die Grundelemente der kapitalistischen Produktion. Durch die kapitalistische und technologische Aneignung der Kommunikation als demokratisches Element, entsteht eine Lücke zwischen der neuen Form der Politik unter digitalen Medien und den dominanten Protestformen, die weiterhin der aufklärerischen Mission des Straßenprotests anhängen.
- Was genau fordern wir? Fordern wir Demokratie? Linke und Rechte teilen dieselbe Rhetorik der Demokratie, eine Rhetorik, die Ethik und Ökonomie, Diskussion und Wettbewerb miteinander verbindet. Der kommunikative Kapitalismus nutzt das Ideal der Demokratie aus. Partizipation, Mitsprache, Petition und Diskussion - all diese Dinge, die Demokratie verstanden als deliberative Praxis fördern, tragen zur Abspaltung von Kommunikation und administrativer Politk bei und werden in Profit übersetzt.
- Die Klimaziele, das Verhindern der Klimakipppunkte kann mit demokratischem Protest nicht erreicht werden. Die Aufgabe des Staates als ideller Gesamtkapitalist und seine Daseinsberechtigung ist das Funktionieren und die Umsetzung der Mehrwertproduktion für die globalen Konzerne. Ohne diese Funktion wäre er überflüssig. Da rettet kein New Green Deal, oder andere vermeintliche Ökologie-Wirtschafts-Programme. Es gibt nur die Alternative den Kapitalismus abzuschaffen. Macht es daher Sinn, Forderungen an die Demokratie zu stellen? Nein!
- Die Antwort darauf kann nur sein, einerseits die Wachstumsideologie abzulehnen und zu bekämpfen. Wir brauchen aktuelle Erzählungen von erfolgreichen alternativen und utopischen Gegenmodellen. Erzählungen von lebbaren kollektiven Lebensmodellen, alternativen Konzepten und Netzwerken die für alle Menschen ansprechend und lebbar sind. Wie z.B. Commons-Strukturen, den demokratischen Konföderalismus oder das Projekt „Mietshäuser Syndikat“. Wir müssen am Aufbau von kollektiven Gegenmodellen arbeiten und diese in die Gesellschaft tragen.
Also nicht das Gegen sein zu betonen, sondern für Etwas zu sein.
- Es ist auch notwenig mit eingespielten Alltagsalgorythmen zu brechen. Sich zu fragen, muss mein Smartphone immer eingeschaltet sein, muss ich immer erreichbar und damit leichter überwachbar und vorhersehbar zu sein. Wir sollten uns einer Nutzen-Kosten Überprüfung unterziehen, was ich von mir im digitalen Kosmos preisgeben will. Um schwer berechenbar zu sein. Und den Focus auf analoge Auseinandersetzungen und Diskusionen zu legen. Von Face to Face und nicht auf Likes. Das wäre viel Authentischer und tiefgreifend emotionaler.
- „Zustechen dort wo es weh tut“ Protest und Widerstand sollte möglichst dort ansetzen um ernst und wahrgenommen zu werden.
Gewinnen können wir nur die Kämpfe die wir führen – die anderen haben wir bereits verloren.
Anmerkungen:
(*1) Dies ist ebenfalls eine ideologische Illusion, die vor allem der Neoliberalismus durch seine Betonung der Eigenverantwortung des Individuums perfektioniert hat. Der staatlcihe Eingriff auf soziale Bereiche war nie grlßer als heute (siehe dazu z.B. Armin Schäfer, Krisentheorien der Demokratie: "Unregierbarkeit, Spätkapitalismus und Postdemokratie" dms - Zeitschrift für Public Policy 1, 2009 S. 159-183).
(*2) eine sehr bereichernde Quelle dazu ist Colin Crouch, Post-Demokratie (2004) auf Deutsch bei Suhrkamp erschienen.
(*3) Zu empfehlen ist die Lektüre zweier belgischer Wissenschaftler*innen: Thomas Berns und Antoinette Rouvroy: "Algorithmic Gouvernmentalitiy and Prospects of Emancipation" Reseaux 177 (2013): S 163-196