Aktivist*innen blockieren Mercedes-Werk bei Bremen
Bremen. Seit dem frühen Morgen besetzt eine Gruppe aus der Klimagerechtigkeitsbewegung das Mercedes-Werk bei Bremen. Die Schienen für den Abtransport der Autos werden durch Personen und Ankettvorrichtungen blockiert. Autozüge mit hunderten PKWs der Luxusklasse können das Werk nicht verlassen. Zusätzlich zeigen wir Präsenz an einem anderen Teil des Mercedes-Werks: Dort klettern Teile der Gruppe vor der Glasfassade des Mercedes-Showrooms. Die Proteste weisen auf die verpasste Verkehrswende hin.
Marla Denke, die an der Aktion teilnimmt, sagt dazu: „Die Klimakrise spitzt sich immer mehr zu und trotzdem produziert Mercedes aus Profitinteresse weiter massenweise rohstoff- und energiefressende Autos für den Individualverkehr. Die größte Gewinnspanne wird durch große und schwere Luxuskarossen für Reiche erzielt. Doch auch abgeschottet in SUVs kann man der Klimakatastrophe nicht davon fahren!“
Laut der NGO Oxfam verursachen in Deutschland die reichsten 10 % so viel CO2-Emissionen wie 50 % der ärmeren Hälfte der Bevölkerung. Am Bremer Standort der Mercedes Benz AG werden nach Stückzahl mehrheitlich Verbrenner der C-Klasse und ca. 12 % Elektroautos der Luxusklasse produziert. Wegen ihrer Größe und Gewicht sind diese PKWs besonders klimaschädlich und beanspruchen viel öffentlichen Raum.
Karla Pfeiffer, die ebenfalls an den Protesten teilnimmt sagt dazu: „Die Kosten unserer klimaschädlichen Wirtschaftsweise tragen vor allem die Menschen im globalen Süden. Deshalb ist die Umstellung von Verbrennern auf E-Antrieb keine Lösung: vor allem in Südamerika bauen Konzerne Lithium für die Batterien ab und zerstören dabei lokale Ökosysteme und die Lebensgrundlage indigener Gemeinden.“
Nach Stückzahl werden in Bremen die meisten Autos der Mercedes Benz AG hergestellt. Es ist den Teilnehmer*innen des Protestes bewusst, dass in dem Werk über 12 000 Menschen arbeiten. Grundsätzlich fordern sie die Vergesellschaftung der gesamten Autoindustrie bei Beibehaltung der Arbeitsplätze um so eine echte Verkehrswende realisieren zu können: Einen umfassenden Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und die Umstellung der Produktion auf Bus und Bahn.
Die Aktiven in Bremen solidarisieren sich auch mit der Besetzung des Waldes bei Tesla in Brandenburg. Gemeinsam begreifen sie sich als Teil einer Bewegung, die den fossilen Kapitalismus aufhalten will: Disrupt. Auf der Website von Disrupt heißt es „Es ist nun wirklich kein Geheimnis mehr: Jeden Tag zerstört die kapitalistische Wirtschaftsordnung ein Stück unserer Lebensgrundlagen für den Profit. Daran ändern auch Greenwashing, Produktlabel oder leere Versprechen nichts. Wenn wir die Geschichte des Kapitalismus erzählen, erzählen wir auch die der Ausbeutung, der Umweltzerstörung und des Neo-Kolonialismus.“ Für den Mai mobilisiert Disrupt Tesla gegen den Ausbau der Tesla Giga-Factory in Grünheide.
Kontakt zur konkreten Aktionsgruppe: autoverkehr_ät_nirgendwo_dot_info
Gleisblockade von Mercedes
In Bremen-Hemelingen haben sich am Morgen mehrere Menschen mit Warnwesten an Bahngleise gekettet und einen Autozug vom Hersteller Mercedes gestoppt. Die Bundespolizei war seit dem frühen Morgen an der Zulieferungsstrecke zum Mercedes-Werk im Einsatz und versuchte, die Aktivistinnen und Aktivisten von den Schienen zu bekommen.
Laut Polizei wollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Proteste nicht von sich aus beenden. Daher lösten Spezialkräfte der Polizei die Aktivistinnen und Aktivisten von den Gleisen. Zwei Aktivisten, die auf ein Dach geklettert waren, seilten sich selbstständig ab. Die Polizei nahm alle sechs Demonstranten vorübergehend mit zur Wache.
Polizei nimmt Ermittlungen auf
Die Polizei hat Ermittlungen wegen Straftaten und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz aufgenommen. Wie eine Polizeisprecherin mitteilte, gehören zu den möglichen Straftaten Hausfriedensbruch, Nötigung sowie die Störung öffentlicher Betriebe – den Aktivisten könnten demnach bis zu fünf Jahren Gefängnisstrafe drohen. Nach Angaben der Polizei hat bisher kein Beteiligter Anzeige gestellt.
Personenverkehr am Morgen eingeschränkt
Der öffentliche Bahnverkehr war laut Polizei auf der Strecke zwischen Bremen und Hannover bis kurz vor acht Uhr eingeschränkt, läuft inzwischen aber wieder. Die Polizei sperrte die Bahnstrecke zwischen Hannover und Bremen zeitweise, “das war eine prophylaktische Maßnahme”, sagte ein Sprecher der Polizei. Die Ermittler befürchteten, dass sich weitere Aktivisten in der Nähe der Schienen aufhalten könnten. Laut einer Sprecherin der Bundespolizei befanden sich die Aktivisten auf einem Nebengleis und behinderten deshalb nicht den Personenverkehr.
Ziel des Protestes ist es laut einer Sprecherin, aufzuzeigen, dass gerade Mercedes “zur Klimakatastrophe beiträgt”, indem das Unternehmen “Luxuskarossen” für Reiche produziere, die überwiegend zum CO2-Ausstoß beitragen würden. Laut der Sprecherin sei es dabei nur um Mercedes und nicht um die Blockade des Nahverkehrs gegangen: “Wir haben versucht, die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass der Pendelverkehr getroffen wird.”
Bündnis “Disrupt” steckt hinter den Aktionen
Neben der Aktion auf den Bahngleisen waren außerdem zwei Aktivisten mit Bannern auf dem Dach eines Gebäudes auf dem Mercedes-Werksgelände, berichtet die Polizei. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind laut eigenen Angaben teil des Bündnisses “Disrupt”. Auf ihrer Seite stellt sich “Disrupt” als Zusammenschluss von antikapitalistischen Gruppen vor.
Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen dabei nicht mit der Letzten Generation in einen Topf geworfen werden: “Es geht uns konkret darum, die Profiteure der Klimakatastrophe anzugreifen – und nicht die Menschen, die drauf angewiesen sind, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil sie im Kapitalismus nicht anders können”, sagt die Disrupt-Sprecherin zu buten un binnen.
Mercedes kritisiert die Aktion der Klimaaktivisten: “Friedlicher Protest ist legitim. Dabei begrüßen wir konstruktive Beiträge. Wir verurteilen jedoch Aktionen, bei denen Menschen gefährdet oder Sachen beschädigt werden.” Die Produktion im Werk Bremen und die Fahrzeugauslieferung im Kundencenter sind laut Mercedes nicht beeinträchtigt. Die Kritik der Aktivistinnen und Aktivisten weist der Konzern zurück: Klimaschutz bilde einen wesentlichen Eckpfeiler der Unternehmensstrategie.