[Frankreich] Spitzel enttarnt: auch Bezüge nach Deutschland

Am 9. September haben unbekannte Genoss*innen einen Polizeispitzel in Frankreich enttarnt, der über mehrere Jahre Informationen an den Inlandsgeheimdienst DGIS weitergegeben hat. Auch in Deutschland war er aktiv.
Am 9. Dezember haben unbekannte Genoss*innen einen Polizeispitzel in Frankreich enttarnt, der über mehrere Jahre Informationen an den Inlandsgeheimdienst DGIS weitergegeben hat. Seine Omnipräsenz in aktivistischen Kreisen hat ihn auch nach Deutschland gebracht: wie die Genoss*innen in Erfahrung bringen konnten, war er mindestens beim Rheinmetall Entwaffnen camp als Teil des Anarchist Barrio anwesend. Beteiligungen an anderen Aktionen können nicht ausgeschlossen werden. Es liegen keine öffentlichen Erkenntnisse darüber vor, ob und inwiefern deutsche Behörden Informationen von ihm oder den französischen Behörden erhalten haben. Sein richtiger Name ist Mohamed El Berkal, geboren ist er am 22.11.2001. Im folgenden Dokumentieren wir die Veröffentlichung der französischen Genoss*innen, übersetzt ins Deutsche. Der Link zum Originaltext befindet sich am Ende des Texts. Unter dem Link befinden sich weitere Screenshots, die seinen Austausch mit den Bullen belegen.
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Wir haben gerade von der Existenz eines Polizeiinformanten erfahren, der seit mindestens März 2022 aktiv ist. Genoss*innen äußerten Verdacht gegen ihn und beschlossen, ihn zu stellen. Bei diesem Treffen konnten wir sein Handy einsehen und auf Unterhaltungen mit fünf Bullen zugreifen; er hat sehr schnell gestanden. Er nennt sich „Momo“ und trat unter verschiedenen Pseudonymen auf Signal auf: „molo“, „zer0“, „Mo“, „Molooo“ (unvollständige Liste). Er ist etwa 1,70 m groß, hat braune, lockige Haare mit Bart und eine durchschnittliche Statur. Er ist sozial sehr souverän und schließt leicht Freundschaften. Er gewann das politische Vertrauen seiner Genoss*innen in Vernetzungs-Kontexten und auf der Straße. Seine entschlossene Teilnahme an zahlreichen Aktionen ermöglichte es ihm, sich dort einen glaubwürdigen Ruf zu verschaffen.
Seinen Angaben zufolge begann er seine Kooperation mit der Polizei nach einer Festnahme. Die Bullen hätten ihm Videos gezeigt, in denen er Vandalismus begeht. Sie drohten, ihn "schwer zu belangen" (faire tomber), was zur Folge gehabt hätte, dass er im Gefängnis bzw. im Abschiebungsgewahrsam (CRA) landete, weil er keine französischen Papiere hatte. Man habe ihm einen Aufenthaltstitel im Austausch gegen Informationen versprochen und ihm später eine Verlängerung dieses Titels über 2 bis 5 Jahre in Aussicht gestellt. Wir haben festgestellt, dass die Bullen seine Bahnfahrten, seine Miete (zumindest teilweise), seine Schule, seine Medikamente etc. in bar bezahlt haben. In den Gesprächen zeigte er sich den Bullen gegenüber vertraut (besonders 2025) und es zeigt sich eine echte emotionale Bindung, die diese durch Ausnutzung seiner Isolation und Lage aufbauten. Bekannt ist, dass sie hauptsächlich auf Telegram sprachen, aber auch auf Signal, WhatsApp…
Wir fügen diesem Text einige der Fotos bei, die seine Spitzeltätigkeit seit März 2022 belegen. Einige Bilder stammen aus März 2022, andere aus November und Dezember 2023, wieder andere aus Juli 2025; die jüngsten sind von letzter Woche (September 2025).
Er konnte die politischen Kreise schon vor März 2022 frequentieren (Datum, ab dem die Telegram‑Chats beginnen). Nach unseren Informationen nahm er seit mindestens diesem Datum an vielen politischen Kontexten in ganz Frankreich teil und betrieb somit seit mindestens drei Jahren seinen Spitzeldienst. Es ist äußerst klar, dass seine Mission darin bestand, sich auf umweltaktivistische Kämpfe wie ZADs [Zone à défendre]/lokale Kämpfe/SDT [Les Soulèvements de la Terre]/Squats/Anti‑Olympia [in Paris 2024]/internationalistische Bewegungen/Geflüchtete (sans-papiers) zu konzentrieren. Wir hatten Zugriff auf verschiedene Arten von gelieferten Informationen: Namen, Telefonnummern, Signal‑Namen, Screenshots von Signal-Chats, Kfz‑Kennzeichen, Automodelle, Gesichts‑ und AG‑Fotos [offene Treffen], Wohnorte oder Orte von Kollektiven und Organisationen, Orte geplanter Aktionen. Er verrät auch persönliche Informationen zu administrativen Situationen, Staatsbürgerschaften, Geschlechtsidentitäten… Außerdem schlug er manchen Personen, Gruppen oder Kollektiven vor, an Veranstaltungen oder Aktionen teilzunehmen — manchmal mit dem Ziel, bestimmte Aktivist*innen „ans Messer zu liefern“ (coincer), aber auch um Akten und Dossiers zu befüllen.
Soweit wir verstehen, schaffte er es, sich in versammlungsbezogene Treffen einzuschleusen, übernahm aber null Verantwortung, erschien unregelmäßig in den militanten Kontexten und nahm anschließend nicht unbedingt an Aktionen teil. Er kooperierte proaktiv mit den Bullen auf zwei Arten: indem er eifrig ausführte, was die Bullen verlangten, und auch spontan, indem er sie auf allerlei politische Veranstaltungen hinwies (öffentliche Aufrufe, die er auf Instagram fand, Küfas, AGs jeder Art…). Seine Aktivität in der Île‑de‑France [Region rund um Paris] ist über zahlreiche verschiedene Kämpfe verteilt (Palästina, AG antifa, Brachflächen, Squats, autonome AGs, internationalistische AGs, ökologische Kämpfe …). So leistete er eine echte Entschlüsselungsarbeit für die Bullen in ganz Frankreich.
Der Haupt-Chat heißt „Amigo“ und besteht aus fünf Bullen und ihm. Sie schrieben auch einzeln privat miteinander. Die Mehrzahl der Anfragen lief über diese Kanäle. Das Wesentliche der Informationen wurde jedoch bei Treffen in Cafés und öffentlichen Orten verstreut in Paris oder dessen näherer Vorstadt (vor allem im Nordwesten) gegeben. Die Treffen fanden teils sehr eng getaktet statt: in manchen Perioden alle zwei Wochen, 2025 im Durchschnitt alle 2–4 Tage. Ihre Treffen verliefen auch vor und nach konkreten Aktionen. Er soll in den letzten sechs Monaten um Bure [Kommune in Nord-Ost Frankreich mit viel Anti-Atom Aktivismus] sehr aktiv gewesen sein. Der größte Teil des Spitzeldienstes geschah sicherlich bei den Treffen [mit den Cops], und es gibt daher viele Informationen, die er übergab, die wir nie erfahren werden.
Der Chat wurde für den gesamten Zeitraum November 2022 – November 2023 gelöscht; daher ist es unmöglich zu wissen, ob während der sozialen Bewegung gegen die Rentenreform 2023 Informationen geliefert wurden. Er war jedoch besonders im Pariser Block aktiv und soll außerdem zumindest an diesen Räumen teilgenommen haben: Festival der bäuerlichen Kämpfe um Bure im August 2023, Sainte‑Soline Wochenende 2 und die Aktionswoche gegen Lafarge im Dezember 2023 in Paris, organisiert von den Soulèvements de la Terre.
Unvollständige Liste an Orten, Bewegungen, Organisationsräumen, die er oberflächlich infiltriert oder durchquert haben könnte:
- Renten-Bewegung 2023
- Île‑de‑France (autonomes Milieu, Squats, AntiRa, AGs, Anti‑CRA [Abschiebehaft])
- Bure regelmäßig seit mindestens August 2023 (u. a. 14. Mai 2024, Mitte Aug 2024, 28. Jan. 2025, Juli 2025)
- Die ZAD gegen die A69
- La Baudrière
- L’AERI [Ökologie-Kollektiv]
- Code Rouge in Belgien
- Verschiedene Veranstaltungen der Soulèvements de la Terre (Greendock, ein Treffen zu Stop Micro am 12.03.2025; Sainte‑Soline 2; Woche der SDT‑Aktionen gegen Lafarge in Paris Dez. 2023; Roue libre für die A69)
- Urgence Palestine
- Internationalistische Versammlung von Montreuil (2024)
- AG Antifa Paname
- AG gegen den C9M [9. Mai Nazi-Demo in Paris]
- Saccage Paris und andere Orgas/Events/Anti‑Olympia Aktionen, 2024
- Parloir sauvage der Anti‑CRA am 18. Februar 2024
- Riposte Collective
- Eine Toxic‑Tour in Saint‑Denis 2024
- Er wurde am 14. Juli zur Kunda geschickt und war dort auch am 18. Juli 2025.
- Verschiedene Sans‑Papiers‑Kollektive im Allgemeinen, insbesondere die Marche des Solidarités
- Anti‑Rassismus‑Kollektive
- Frühlingsfest 2025 in Les Lentillères: man bat ihn, Kennzeichen zu notieren und Namen aufzunehmen
- Die Aktion HARO! gegen das Atom‑Schwimmbecken in La Hague vom 18. bis 20. Juli 2025
- Anti‑Extraktivismus‑Wochenende No Mine’s Land 2025 organisiert von Stop Mine 03 im Allier, 25.–27. Juli
- Anarchist Barrio beim Rheinmetall‑Camp in Köln Ende Aug. 2025
- Mehrere AGs für den 10. September (Saint‑Denis, Montreuil) Anfang Sept. 2025
Das Eindringen von Spitzeln in unsere Kämpfe und Räume ist gängig und soll uns alarmieren, aber nicht in Panik versetzen. Lasst uns vorsichtig und sorgfältig sein. Schaffen wir kein Klima allgemeiner Paranoia vor einer sozialen Mobilisierung.[Die Autor*innen beziehen sich auf die Mobilisierungen für den 10. September.] Es existieren viele Maßnahmen, um sich dagegen zu wappnen: achten wir zuerst darauf, was wir sagen, wem und wo wir es sagen; säubern wir unsere Wohnungen und unsere Handies/Computer; tauschen wir diese aus, wenn wir es für nötig halten …
Für sein Umfeld war es sehr schwer, von diesen Neuigkeiten zu erfahren. Belästigt sie bitte nicht.
Organisieren wir uns weiter; Kraft für uns, Feuer den Spitzeln!
Link zum Originaltext: https://2025indicparis.noblogs.org/2025/09/09/hello-world/






