Inhabit – Anleitung zur Autonomie (Übersetzung)
von: anonym
Es gibt zwei Wege: Das Ende der Welt oder der Beginn der nächsten. Du musst entscheiden.
Das Ende der Welt
Es ist vorbei. Senke deinen Kopf und scrolle auf deinem Handy durch die Apokalypse.
Weg A
Beobachte, wie Silicon Valley alles durch Roboter ersetzt. Neue fundamentalistische Todeskulte lassen ISIS wie ein Kinderspiel aussehen. Die Behörden veröffentlichen eine Geolokalisierungs-App, um Einwanderer*innen und politisch Andersdenkende in Echtzeit zu bespitzeln, während Metafaschist*innen per Crowdfunding die nächsten Konzentrationslager finanzieren. Staatliche Dienste versagen. Die Politiker*innen greifen zu immer drakonischeren Maßnahmen, und die Linke bellt weiterhin zahnlos.
In der Zwischenzeit schmelzen die Gletscher, wüten Waldbrände und der Hurrikan XY ertränkt eine weitere Stadt. Uralte Seuchen tauchen aus dem auftauenden Permafrost wieder auf. Endlose Arbeit, während die Reichen vom Ruin profitieren. Schließlich gehen wir in dem Wissen, dass wir nichts getan haben, zugrunde und teilen unser Grab mit allem Leben auf dem Planeten.
Weg B
Atme durch und mach dich bereit für eine neue Welt.
Eine Vielzahl von Menschen, Räumen und Infrastrukturen bilden die Grundlage, auf dem mächtige, autonome Territorien entstehen. Alles für alle. Land wird zur gemeinsamen Nutzung freigegeben. Die Technologie wird aufgebrochen - alles ein Werkzeug, alles eine Waffe. Autonome Versorgungslinien durchbrechen den wirtschaftlichen Würgegriff. Kommunikationsnetzwerke sorgen für Echtzeitkommunikation und verbinden diejenigen, die spüren, dass ein anderes Leben aufgebaut werden muss.
Während die Regierungen versagen, gedeihen die autonomen Gebiete mit dem neuen Bewusstsein, dass wir, um frei zu sein, mit dieser Erde und das Leben auf ihr verwurzelt sein müssen. Enklaven des Techno-Feudalismus werden für ihre Ressourcen geplündert. Wir stellen die schwindenden Kräfte der Konterrevolution vor die Wahl: zur Hölle oder zur Utopie?
Eine der beiden Antworten befriedigt uns.
Schließlich erreichen wir die Grenze - wir spüren die Gefahr der Freiheit, die Umarmung des Zusammenlebens, das Wunderbare und das Unbekannte - und wissen: Das ist das Leben.
Unsere Zeit ist stürmisch und mächtig.
Umwälzungen, Polarisierung, eine Politik, die so bankrott ist, wie die Finanzmärkte - doch in der Krise liegen Möglichkeiten. Diese Epoche zwingt uns dazu, darüber nachzudenken, wie jede*r von uns einen Kern von Potenzialen bildet, wie die*der Einzelne ihren*seinen wildesten Neigungen folgen kann, um sich mit anderen zu verbünden, die den Weckruf ebenso spüren. Menschen erlernen verlorene Fähigkeiten und Kämpfer*innen geben der Welt das Feuer zurück. Landwirt*innen und Gärtner*innen experimentieren mit biologischer Landwirtschaft, während Macher*innen und Hacker*innen Maschinen neu konfigurieren. Models entfliehen dem leeren Rampenlicht und brechen ihr Brot mit kurdischen Radikalen und Militärveteran*innen, die sich für ein gemeinschaftliches Leben einsetzen.
Diejenigen, die mit Politik nichts am Hut haben, finden sich an einem Tisch im Zuccotti Park, auf dem Oscar Grant Plaza oder auf dem Tahrir-Platz zusammen, und die*der Barista, die*der sich kaum allein ernähren kann, lernt, für tausend Menschen zu kochen. Ein Instagram-Star, dessen Ängste sie*ihn normalerweise an ihre*seine Wohnung fesseln, trifft eine*n kampferprobte*n Veteran*in in Ferguson, wo sie mit Tränengas und kollektiver Stärke getauft werden und spüren, wie ihnen die Last von der Seele fällt.
Überall erheben sich Menschen, die in der größten Isolation leben, und finden neue Lebensweisen. Aber wenn diese Samen aus der Erde an die Oberfläche wachsen, werden sie in einem Rausch von Banalität und Angst zertrampelt. Neuanfänge werden von Riot Cops, privaten Sicherheitskräften und Öffentlichkeitsarbeits-Firmen gewaltsam unterdrückt. Oder schlimmer noch, von den Einsamen - politisch rechts oder links - die nichts zu gewinnen haben außer einem weiteren Like auf ihrem beschissenen Twitter. Und das alles, während selbstgefällige Politiker und CEOs über allem zu schweben scheinen. Der revolutionäre Charakter unserer Epoche lässt sich nicht leugnen, aber die Hürde, die zwischen uns und der Freiheit steht, müssen wir noch überwinden.
Wir kommen aus Trümmern, aber wir stehen noch.
Der Nihilismus unserer Epoche ist topologisch. Überall fehlt eine Grundlage. Wir suchen nach der organisatorischen Kraft, um die Welt zu reparieren, und finden nur Institutionen voller Schwäche und Zynismus. Wohlmeinende Aktivist*innen werden durch den rückgratlosen Körper der konventionellen Politik verdaut und hinterlassen deprimierte Militante oder Mini-Politiker*innen. Wer seine Stimme gegen Missbrauch erhebt, wird Zeug*in trauriger Machtspiele, die sich in den sozialen Medien abspielen. Bewegungen brechen aus und implodieren dann, von Parasiten zerfressen.
Städte werden unbewohnbar, während das Meerwasser steigt und die Regierungen um ihre Legitimität ringen. Jede Katastrophe fühlt sich immer näher an, egal ob wir Zeitungen durchblättern oder die gefürchteten Push-Benachrichtigung erhalten - „Haben Sie schon gehört, dass...?“. Katastrophen fühlen sich an wie Massaker. Die Namen der Toten sind ein Indiz für eine Zivilisation im Niedergang. Wir verlieren Familie und Freund*innen durch Sucht, Armut und Verzweiflung. Wir sehen zu, wie die Cops von ihrer Freiheit zu morden Gebrauch machen, und wissen nicht, wie wir unsere Wut unterdrücken können. Wir halten uns gegenseitig in den Armen und bleiben aufrecht. Wir spüren die Gegenwart, die uns gestohlen wurde, und stellen uns die Zukunft vor, die uns bestimmt ist. Niemensch wird kommen, um uns zu retten. Wir müssen uns selbst die Grundlage erschaffen, auf der eine Revolution wachsen wird.
Wir haben die Macht, eine unumkehrbare Wende herbeizuführen.
Wir wachen Tag für Tag auf, Generation für Generation, und gehen zur Arbeit, um denselben Alptraum zu rekalibrieren, der uns zur Arbeit zwingt. Wir rackern uns ab, um über die Runden zu kommen, spüren den Stress des Pendelns und der schlaflosen Nächte, leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck oder von einem prekären Job zum nächsten, nur um mit dem Kopf über Wasser zu bleiben. Unsere Arbeit hat diese Welt geschaffen und hält sie am Laufen, aber keiner von uns fühlt sich zu Hause. Es ist nicht verwunderlich, dass sich so viele Menschen in alles stürzen, was verspricht, dass es besser sein könnte - Bewegungen, Gesundheitstrends, Subkulturen, Milizen, Gangs, was auch immer.
Wir wollen ein würdiges Leben. Wir wünschen uns die Freiheit, mit unseren schwieligen Händen zu experimentieren und so viel mehr zu werden als nur unsere Arbeit. Wenn die Potenz unserer Zeit ein Indiz dafür ist, dass wir zu mehr fähig sind als zum bloßen Überleben, dann ist es das. Gerade die Arbeit, die wir leisten - unsere Kraft, Kreativität und Intelligenz - kann unsere Waffe sein. Die Möglichkeit, zu überleben, liegt in unserer Fähigkeit zu streiken und in der Verführung durch unsere gemeinsame Macht. Unser Streik wird die unmittelbare Praxis der Neugestaltung unserer Lebensweise sein, ohne Rücksicht auf unsere Chefs, die Reichen oder die Roboter, die uns ersetzen sollen. Gemeinsam haben wir das Know-how und den Antrieb, ein besseres Leben zu schaffen, ein Leben nach unseren eigenen Bedingungen, und es liegt an uns, neue Welten zu schaffen und zu bewohnen, um diese zu ersetzen. Unser Erfindungsreichtum, unsere Leidenschaft, unsere Entschlossenheit - wir sind der Dreh- und Angelpunkt, auf dem jede Zukunft ruht.
Es fehlt nichts. Schau dich um. Gib ihm Form.
Stück für Stück bauen wir das Fundament einer revolutionären Kraft auf. Wir bauen ein gemeinsames Leben auf, bekämpfen die materielle und geistige Armut, die uns von unserer Epoche auferlegt wurde, und öffnen uns für das unmittelbare Experimentieren mit anderen Lebensweisen. Unser Ziel ist es, autonome Territorien zu errichten - expandierende, unregierbare Zonen, die vom Meer bis zum leuchtenden Meer reichen. Verwerfungslinien, die Nordamerika durchziehen und uns zur Vorsehung führen. Diese autonomen Gebiete werden neue Reiseströme und Ressourcen erschließen, Wegweiser in ökologischen Krisen sein und den Boden für die Rückgewinnung von Techniken und Technologien bereiten, die uns entzogen wurden.
Wir stellen uns unsere Aufgabe mit Gelassenheit und Ernsthaftigkeit vor. Wir wollen Gebiete mit katastrophenfesten Infrastrukturen, die von kollektiver Freude getragen und von einer mutigen und würdigen Lebensweise bewohnt werden. Unsere Zeit unterscheidet sich von der Vergangenheit, und wir werden nicht darauf warten, dass eine senile radikale Nostalgie uns einholt. Wir haben nicht auf alles eine Antwort, aber wir teilen, was wir für wahr halten.
Jetzt ist es an der Zeit, diese unhaltbare Lebensweise zu beenden.
Findet einander.
Wir sind in einer Kultur der Isolation und der Niederlagen aufgewachsen, in der unser Potenzial darauf reduziert wird, die Anforderungen der Wirtschaft zu erfüllen. Eingegraben unter unseren eigenen persönlichen Sorgen, unseren eigenen Rechnungen und unseren eigenen Ängsten sind wir gezwungen, uns nur um uns selbst zu kümmern. Aber wir sind zu einem anderen Leben fähig.
Um zu beginnen, müssen wir die Isolation aufheben. Durchbreche den Schwachsinn. Wende dich an die Menschen, die dir am nächsten stehen, und sage ihnen, dass sie ein gemeinsames Leben brauchen. Fragen sie, wie es wäre, sich der Welt gemeinsam zu stellen. Was habt ihr? Was braucht ihr? Macht eine Bestandsaufnahme euer gemeinsamen Fähigkeiten, Kapazitäten und Verbindungen. Trefft Entscheidungen, die euch mehr Kraft geben. Schafft die Grundlage für ein gemeinsames Leben.
Stelle dir ein Leben vor, das über deine persönlichen Grenzen hinausreicht. Du änderst die Art und Weise, wie du dich in deiner Umgebung bewegst, um absichtlich mit anderen in Kontakt zu kommen. Aus flüchtigen Begegnungen werden echte Beziehungen. Du wanderst durch deine Nachbar*innenschaft und hältst auf dem Weg zum Café bei Freund*innen an. Ihr trefft euch jeden Abend im Park, um zu trainieren. Ihr begleitet euch gegenseitig nach Hause. Das Auto der*des einen wird sich gemeinschaftlich geteilt. Ihr geht zelten und lernt gemeinsam, wie mensch ein Feuer macht. Gemeinsam wird Geld für schlechte Zeiten zurückgelegt. Die Vorstellung von Privateigentum verschwindet. Ihr beginnt, euch als etwas Entscheidendes zu begreifen, das über eine Gruppe von Freund*innen hinausgeht.
Etabliert Zentren.
Zentren sind Sammelpunkte, Drehkreuze der Aktivität. Die Schaffung eines Zentrums ist der logische nächste Schritt, um zueinander zu finden. Wir brauchen spezielle Räume, um uns zu organisieren und uns Zeit füreinander zu nehmen. Zentren bringen die Menschen, Ressourcen und den gemeinsamen Geist zusammen, die notwendig sind, um die Grundlage für ein gemeinsames Leben zu schaffen.
Bündelt eure Ressourcen, wählt ein Gebiet aus und gründet ein Zentrum. Mietet einen Raum in der Nachbar*innenschaft. Baut eine Struktur im Wald. Übernehmt ein verlassenes Gebäude oder ein unbebautes Stück Land. Kein Raum ist zu klein oder zu ambitioniert. Beginnt mit dem, was ihr zur Verfügung habt, und erweitert es dann. Nutzen Sie das Zentrum als Basis für all eure Projekte.
In einem umgenutzten Ladenlokal finden wöchentliche Abendessen statt, die sich zu Planungssitzungen entwickeln. Ein kollektiv geführtes Café legt die Gewinne beiseite, um andere Räume zu schaffen, wie eine Holzwerkstatt, in der Schreiner*innen zusammenarbeiten, um mehr als nur Bücherregale zu bauen. In einem Wald außerhalb der Stadt dient eine Lichtung als Versammlungsort für wöchentliche Schieß- und Kampfsporttrainings. In der Nähe wächst langsam eine kleine Permakultur-Farm, um die Bewohner*innen der Stadt zu ernähren.
Werdet resilient.
Unser Körper ist für uns ein Rätsel. Unsere Gesundheit liegt nicht in unserer Hand. Wenn die Lichter ausgingen, würden die meisten von uns im Dunkeln bleiben. Wir wurden uns unserer Fähigkeiten, Leidenschaften und Kenntnisse beraubt. Aber wir sind nicht zerbrechlich: Wenn wir neue Fähigkeiten erlernen oder schwierige Herausforderungen meistern, erobern wir uns die Grenzen unseres Verständnisses von Möglichkeiten zurück. Wir sind zu unglaublichen und unwahrscheinlichen Taten fähig.
Holt euch eure Fähigkeiten zurück, beherrscht sie durch Übung und teilt eure Kraft mit anderen. Bereiten euch auf die neue Normalität vor. Lernt zu jagen, zu programmieren, zu heilen: steigert eure kollektive Stärke.
Ein Hurrikan wütet in der Stadt - der Strom ist ausgefallen. Die Katastrophenhilfe lässt sich viel Zeit. Eine Gruppe gründet ein Zentrum außerhalb des Überschwemmungsgebiets. Das gemeinsame Kochen großer Mahlzeiten hat allen das Selbstvertrauen gegeben, in großem Maßstab zu arbeiten. Die Teams ziehen los, um in einer gesetzlosen Umgebung Lebensmittel zu sammeln und rassistische Opportunisten abzuwehren, die sich an eine widerrufene Eigentumsordnung klammern. Ein Team sammelt medizinische Hilfsgüter in Krankenhäusern und Apotheken, während ein anderes die Wassertanks in Wohnhäusern anzapft. Eine Parkbesetzung bringt noch mehr Menschen und Ressourcen zusammen. Jemensch erklimmt ein Gebäude, um einen mit kinetischer Energie betriebenen Router zu platzieren. Der Router stellt eine Verbindung zu einem Kommunikationsnetzwerk her, um Verstärkung von anderen Zentren in der Region herbeizurufen.
Teilt eine gemeinsame Zukunft.
Die Zeit des isolierten Lebens ist vorbei. Wir alle teilen die Katastrophe, wir alle teilen die Herausforderungen, die unsere Epoche mit sich bringt. Wir können gegen die ungleiche Verteilung der medizinischen Ressourcen protestieren, so viel wir wollen, aber die Gesundheitsversorgung wird nur dann universell und würdevoll sein, wenn sie autonom ist.
Schafft kollektive Formen der Gesundheitsversorgung. Organisiert euch mit Blick auf die nächsten zwanzig Jahre. Fragt euch gegenseitig, wie sich eure Bedürfnisse ändern werden, wenn ihr älter werdet, Kinder bekommt, behindert werdet oder sterbt. Trefft Entscheidungen auf der Grundlage von euren Wünschen. Stellt euch vor, wie die Räume die Dynamik des Lebens und des Kampfes aufnehmen können. Setzt euch mit den schwierigsten Fragen auseinander: wie mensch mit Wahnsinn, Sucht, zwischenmenschlicher Gewalt und traumatischem Verlust umgehen kann – sich gegenseitig um jeden Preis vor der Einweisung in ein Psychiatrie schützen.
Es bildet sich ein generationenübergreifendes Netzwerk, das sich mit der Gesamtheit des Lebens befasst. Mensch denkt gemeinsam darüber nach, wie mensch Kinder erzieht, wie mensch ihre Handlungsfähigkeit fördert und wie mensch ihnen hilft, mit der sich verändernden Welt zurechtzukommen. Die Altenpflege wird kollektiv organisiert, und die Ehrfurcht vor den Erfahrungen der Älteren stärkt die Würde in jeder Lebensphase. Gesundheitskollektive erlernen uralte Methoden der Geburtenkontrolle und des Schwangerschaftsabbruchs, um eine autonome Entscheidung zu gewährleisten. Gemeinsame emotionale Intelligenz hilft denen, die eine Pause vom Kampf brauchen, und denen, die in den Kampf zurückkehren. Ärzt*innen, Kräuterkundige und Schamanen schließen einen Pakt, um die Versorgung des Netzwerks zu gewährleisten. Jede*r kann sich beruhigt zurücklehnen, da sie*er weiß, dass das Krankenhaus nicht die erste Wahl sein muss. Der Bedarf an staatlichen Leistungen nimmt ab. Mit der neuen Ausrichtung auf das Leben und den Tod wird eine historische Last von den Schultern genommen. Ohne die Ängste und den Stress dieser Zivilisation beginnen die Krankheiten zu verschwinden. Eine neue Fähigkeit zur Fürsorge wird zu einem gemeinsamen Kraftreservoir, um die Zukunft gemeinsam zu meistern.
Beginne den Kampf.
Unsere Gesellschaft verleumdet Menschen, die für das Richtige eintreten. Sie sagt uns, dass sich nichts ändern kann, dass wir uns zurückhalten sollen und vor allem, dass wir uns nicht wehren dürfen. Um in unserer Zeit einen Kampfgeist zu kultivieren, müssen wir neben der Entwicklung von strategischem Denken und dem Aufbau körperlicher Fähigkeiten auch einen ethischen Kompass verfolgen.
Werdet stärker. Macht euch selbst kampffähig. Erlernt die Kunst des Kämpfens, wie alles zu einer Waffe werden kann. Lernt die Kraft der Gegner*innen zu untergraben - angefangen damit, wie ein Schlag, der eine*n Faschist*in verletzt, als viraler Inhalt aufgenommen wird, bis hin zu der Frage, wie mensch die Feind*innen kollektiv kampfunfähig macht, indem mensch ihr Kommunikationssystem kappt. Was steht einer neuen Lebensweise im Weg? Wie kann mensch dies gemeinsam überwinden? Welche strategischen Überlegungen werdet euch vor den Feind*innen bewahren?
Jede größere Stadt ist mit einem Netz von Fightclubs verbunden. Erfahrene Mitglieder unterrichten neben grundlegenden Fitness- und Dehnungsübungen auch Grappling und Kampfsport. Jeder Club findet seinen Platz und knüpft Verbindungen zu seiner Gemeinschaft, insbesondere zu denjenigen, die aus dieser Welt verstoßen werden. Ein Club im Mittleren Westen mobilisiert mit Truckern, um sich gegen die Automatisierung zu wehren. Gemeinsam legen sie mit Hilfe einer Geotracking-App die Autobahn lahm, blockieren die selbstfahrenden Lastwagen und brechen deren Laderäume auf. Was brauchbar ist, wird enteignet, der Rest in Asche verwandelt. Der Rauch vernebelt die Polizeifahrzeuge, die sich bereits inmitten der behelfsmäßigen Barrikaden verirrt haben. Die Ladung besteht aus einer Reihe von Minidrohnen, die über eine neu konfigurierte App in defensive Flugmuster geschickt werden. Die gehackten Drohnen infiltrieren ankommende Polizeidrohnen und übertragen einen Virus, der ihre Propeller stoppt und sie harmlos zu Boden fallen lässt. Angesichts des Chaos gehen die streitlustigen Trucker und Fightclubber in die Offensive und ergreifen die Flucht.
Erweitert das Netzwerk.
Wir brauchen keine weitere Organisation, die uns zusammenbringt, um über Probleme zu sprechen, sondern Wege zur Umsetzung konkreter Praktiken, um sie zu lösen. Wir brauchen ein Netzwerk, das die Kraft der einzelnen Projekte verstärkt, das Gebiet erweitert und die Zukunft nicht dem Zufall überlässt.
Findet einander in einem erweiterten Maßstab. Sucht nach den anderen Menschen, die sich ebenfalls organisieren. Spürt aufkeimende Intensitäten und Gemeinschaftsformen auf und nehmt Kontakt auf. Tauscht Geschichten und Strategien aus, so dass das kulturelle Gedächtnis und die operative Intelligenz unseres Netzwerks wachsen und eine größere Macht zwischen durch uns entsteht. Multipliziert diese Vernetzung mit Tausenden.
In einem subversiven Gebiet experimentieren Biohacker*innen mit neuen Techniken zur Wasserreinigung, eine Gruppe indigener Familien wehrt sich gegen die Vereinnahmung ihres heiligen Landes durch ein Energieunternehmen, und ein autonomes Zentrum definiert seine Nachbar*innenschaft mit einem Netzwerk aus städtischen Farmen neu. Durch regelmäßige Kommunikation zwischen diesen drei Projekten werden ihre gemeinsamen Bedürfnisse berücksichtigt. Wasseraufbereitungstechniken verbreiten sich zwischen ihnen, während die autonome Lebensmittelinfrastruktur zu einem Überfluss führt. Das Netzwerk wird zu einer Waffe, als die indigenen Familien um Verstärkung bitten, um ihr Land zu verteidigen. Durch verschlüsselte Kommunikation zur Koordinierung der Logistik treffen Tausende von Menschen mit Ressourcen ein, um den aufkeimenden Kampf zu unterstützen.
Baut Autonomie auf.
Wir wurden dazu gebracht, uns für unsere Existenz auf Gehaltsschecks und Geschäfte zu verlassen, wir sind abhängig vom kapitalistischen System, das uns zwingt, uns entweder zu fügen oder zu verhungern. Es führt kein Weg an dieser Tatsache vorbei: Die materielle Organisation der heutigen Welt ist das Problem, das wir überwinden müssen.
Erweitert der Reichweite der autonomen Initiativen. Baut die Infrastruktur auf, die notwendig ist, um das Territorium aus der Wirtschaft herauszuziehen. Beantwortet die Fragen der kollektiven, materiellen Macht: Wie können wir uns gegenseitig ernähren, unterbringen und heilen? Nutzt Daten und Design, ohne in die Falle zu tappen, dass das Internet uns retten wird. Bildet Kollektive und Genoss*innenschaften, die strategische Ziele erreichen, ohne sich in eine sinnlose Wirtschaft einzukaufen. Entweickelt skalierbarere Lösungen für die Probleme von Energie, Verteilung, Kommunikation und Logistik.
Ein lokales Lebensmittelverteilzentrum eröffnet am anderen Ende der Stadt einen genossenschaftlichen Lebensmittelladen. Der nahegelegene Bauernhof, der sein Gemüse anbaut, muss seine Kapazitäten erweitern und schließt sich einem bioregionalen Netzwerk an, das nicht nur frische Lebensmittel, sondern auch eine gemeinsame Welt teilen will. Eine Gruppe von Designer*innen und Ingenieur*innen, die ihre Arbeit hassen, entwickelt eine App, die eine flexible Lieferkette zwischen den Bauernhöfen und Vertriebsstellen koordiniert. Diese Bemühungen führen zum Entstehen eines autonomen Versorgungskorridors. Die wachsende Kraft des Netzwerks und die völlige Missachtung von Vorschriften lassen die Behörden hilflos zurück, da Lebensmittel und Menschen zusammen mit dem Geist der Rebellion frei zirkulieren.
Erweitert die Infrastruktur.
Wir wollen das Leben nicht nur für einige wenige verbessern - es geht um eine Massenflucht aus dieser Welt. Das bedeutet, dass wir uns mit der Infrastruktur befassen müssen, die die Grundlage dieser Zivilisation bildet, und die Dinge so umgestalten müssen, wie wir es für richtig halten.
Hackt alles – angefangen bei der Lösung von Problemen, die die derzeitige Infrastruktur nicht lösen kann, bis hin zur Beschlagnahmung bestehender Einrichtungen und der radikalen Veränderung ihrer Nutzung. Besetzt sterbende Räume - Rathäuser, Schulen, Einkaufszentren - und haucht ihnen neues Leben ein. Antizipiert und verstärkt strategische Brüche. Richtet Kommunikationssysteme neu aus. Koordiniert Versorgungsleitungen. Ergreift die Macht, ohne zu regieren.
Die Ausbreitung autonomer Kliniken beginnt, die Welt der Medizin an allen Fronten zu beeinflussen. Krankenhauspersonal, Ärzt*innen und Verwaltungsangestellte arbeiten zusammen, um diesen Kliniken heimlich Krankenhausmaterial zukommen zu lassen. Als den Veteran*innenkrankenhäusern die Mittel gestrichen werden, schließen sich die autonomen Kliniken mit Patient*innen und Gesundheitsdienstleister*innen zusammen und besetzen die Veteran*innen-Hilfe-Büros im ganzen Land. Die brutale Unterdrückung bei einer Besetzung führt dazu, dass Dutzende von ihnen in ein nahe gelegenes staatliches Krankenhaus gebracht werden, doch als die Polizei versucht, in die Notaufnahme einzudringen, um die verletzten Veteran*innen zu verhaften, werden sie von solidarischen Chirurg*innen und Krankenhauspersonal zurückgeschlagen. Autonome Gruppen schließen sich den Kräften an, die aus den Besetzungen hervorgegangen sind, und das Krankenhaus und seine lebenswichtigen Ressourcen werden für den sich entfaltenden Aufstand in Beschlag genommen.
Werdet unregierbar.
Revolution ist ein Ziel, das wir in der Gegenwart verfolgen.
Sie bedeutet, hier und jetzt Autonomie aufzubauen, die Regierung und die Wirtschaft überflüssig zu machen. Der Ausbruch aus dem Regiert-Werden bedeutet mehr als das Gewinnen einer Schlacht nach der anderen und das Ausmanövrieren der politischen Feind*innen. Er wird auf unserer Fähigkeit beruhen, eine dauerhafte Grundlage für ein Leben in Gemeinschaft zu schaffen.
Weitet die Befreiung auf alle Lebensbereiche aus. Tretet langsam, aber sicher in den Dauerstreik und nehmt alle mit. Weigert euch, regiert zu werden oder irgendwen im Gegenzug zu regieren. Treibt einen Keil in die Mitte der Gesellschaft. Widersprecht lebenslangen Zynismus und Ressentiments. Glaubt daran, dass alles möglich ist.
Die Streiks dauern an, und die dumpfe Last der Schulden löst sich auf, während das Finanzkapital unter der wachsenden Feindseligkeit zusammenbricht. Nachbar*innenschaftsversammlungen entscheiden, wie im Ausnahmezustand zu handeln ist, rebellische Soldat*innen weigern sich, auf ihre eigenen Viertel zu schießen, und „Kriminalität“ beschränkt sich jetzt auf Plünderungen der noch regierten Zonen. In den Städten ist jeder Tag wie ein Straßenfest. Grillpartys mit konfisziertem Essen auf überfüllten Straßen kündigen eine Zeit an, in der diese Überreste des Wirtschaftslebens verschwunden sind und die Geschäfte für eine neue gemeinsame Nutzung vorbereitet werden. Nachts erhellen Lagerfeuer die Ferne, und die Sterne tauchen in ihrer Weisheit wieder auf, um uns zu beschützen. In den Vorstädten ist ein Walmart jetzt ein Zentrum für kostenlose Waren und die Möglichkeit, sich zu organisieren. Lastwagenfahrer*innen und Rettungskräfte treffen sich, um die Hilfe für ein überschwemmtes Gebiet zu koordinieren. Im Westen statten Technolog*innen Wetterballons mit Sende- und Empfangsgeräten aus, um das autonome Internet zu verstärken. Von der Wirtschaft befreite Arbeitskräfte steigern den Ertrag autonomer Bauernhöfe, und Kinder lernen wieder, der Erde gegenüber loyal zu sein.
Jetzt.
Es gibt keinen zukünftigen Notfall, auf den wir uns vorbereiten müssen.
Wir sind bereits hier - mit allen dystopischen Elementen und allen Mitteln der Revolution. Die schrecklichen Folgen unserer Zeit und ihr schönes Potenzial entfalten sich überall. Wir wehren uns gegen das Ende der Welt, indem wir neue Welten erschaffen. Wir werden unregierbar - wir halten uns nicht mehr an ihre gnadenlosen Gesetze, ihre zerfallende Infrastruktur, ihre verkommene Wirtschaft und ihre geistig gebrochene Kultur.
Wir erheben gewaltsam Anspruch auf das Glück - dass das Leben in unserer materiellen Macht liegt, in unserer Weigerung, regiert zu werden, in unserer Fähigkeit, die Erde zu bewohnen, in unserer Fürsorge füreinander und in unseren Begegnungen mit allen Formen des Lebens, die diese ethischen Wahrheiten teilen.
Wir brauchen Kämpfer*innen, Macher*innen, Denker*innen - Kreativität und Einfallsreichtum.
Wir brauchen Baumeister*innen, Heiler*innen, Bäuer*innen, Designer*innen und Ingenieur*innen.
Wir brauchen dich.
Widmung:
Für Clark
Für die Erde
Für die Freiheit
Original: https://inhabit.global/